Einen schönen guten Abend. Ich grüße Sie alle und euch alle sehr herzlich. Ich freue mich, dass ihr euch alle die Zeit genommen habt. Ich grüße vor allem und natürlich Gudrun Rath, die heute im Mittelpunkt steht, herzlich willkommen. Außerdem, weil es tatsächlich erstens einmal überraschend ist und zweitens ja auch durchaus ein langer Weg ist, unser Unirat Hans Hallwirth sitzt da ganz hinten. Herzlich willkommen. Gudrun Rath ist seit 2019, genauer seit Oktober 2019, bei uns Professorin für Kulturwissenschaft und in der Abteilung und leitend in der Abteilung Kulturwissenschaft des Instituts für Bildende Kunst und Kulturwissenschaft tätig. Wissenschaft tätig. Zur Person von Gudrun Rath zunächst einmal scheint besonders wichtig und auffällig die immerwährende und dauernde Verbindung ihrer Forschungsarbeit, ihrer jeweiligen aktuellen Forschungsarbeit und der Lehre. Diachrone Querverbindungen sowie transnationale Herangehensweisen bilden einen besonderen Schwerpunkt deiner Tätigkeit. Die kritische Reflexion geopolitischer Rahmenbedingungen, gerade von Wissensproduktion und Zirkulation und denn in dieser Hinsicht nach wie vor hierarchischen Beziehungen zwischen globalem Norden und Süden, sind dir und sind ein großes Anliegen. In der Arbeit mit interdisziplinären theoretischen Ansätzen ist es ihr wichtig, eine Vielfalt an Perspektiven aufzuzeigen und Studierende zum kritischen Denken anzuregen. So forscht und lehrt sie unter anderem zu Kulturtheorien, Geschichten des Wissens, Erinnerungspolitiken sowie zur Kolonial- und Verflechtungsgeschichte zwischen Europa und Amerika. Nach dem Studium der Romanistik und Germanistik in Wien und Madrid war sie Stipendiatin des interdisziplinären Graduiertenkollegs, die Figur des Dritten an der Universität Konstanz. Ihre Promotion an der Universität Wien hat sie mit Summa Cum Laude abgeschlossen und vor dem Hintergrund eines Translational Turn in den Kulturwissenschaften analysierte sie darin die Zusammenhänge zwischen Theorien, Fiktionen und Praktiken des Übersetzens. Deine Habilitation entstand an der Universität Konstanz und ab 2014 im Rahmen einer Elise-Richter-Stelle des FWF in der Abteilung Kulturwissenschaft an unserer Universität. 2019 folgte dann die Habilitation an der Universität Konstanz. Darin hast du die Wissensgeschichte der Zombie-Figur aus einer transnationalen Perspektive untersucht. Deine Analyse wissenschaftlicher und populärer Texte, die in Frankreich vor allem im 19. Jahrhundert publiziert wurden, zeigt, wie anhand von karibischen Totenrieten historische Ereignisse wie die Haitische Revolution verhandelt werden. 2022 ist gerade am Herauskommen das Buch Untotes Gedächtnis, eine transatlantische Zombie-Geschichte. gutes Gedächtnis, eine transatlantische Zombie-Geschichte. Forschungs- und Lehrerfahrung konntest du an verschiedensten Universitäten, sehr renommierten Universitäten, wie eben in Heidelberg, Wien, Konstanz, aber natürlich auch an unserem Haus sammeln. Du konntest in diesem Zusammenhang nicht nur zahlreiche Forschungsprojekte und Kooperationen verwirklichen, sondern hast ein umfangreiches Oeuvre, hast umfangreich publiziert in wissenschaftlichen Artikeln als Herausgeberin, aber auch in Form von Essays und Monografien. So entstand beispielsweise im Zuge deiner wissenschaftlichen Mitarbeit am Lehrstuhl für Kulturtheorien und kulturwissenschaftliche Methoden an der Universität Konstanz das Buch und Übersetzungsprojekt lateinamerikanische Kulturtheorien. Und 2019 hast du in der Zeitschrift für Kulturwissenschaften ein Heft für Forensik oder zum Thema Forensik als kulturwissenschaftliche Methode in historischen und zeitgenössischen Kontexten, gerade von Massengewalt in diesem Kontext herausgegeben. Du bist stellvertretende Leiterin des Bachelor Kulturwissenschaften an unserem Haus und du hast unter anderem 2016 den Outstanding Artist Award des Bundeskanzleramtes für Kunst und Kultur im Bereich Interdisziplinarität erhalten. Und du bist als erste und ich glaube derzeit einzige Angehörige unserer Universität eingeladen worden und Mitglied jetzt tatsächlich der Jungen Akademie, also der österreichischen Akademie der Wissenschaften der jüngeren Generation. Wunderbar. Im Zentrum der Tätigkeit deiner Abteilung steht eine kulturhistorisch informierte Gegenwartsforschung in Bezug auf viele Fragen. Einige davon seien nur exemplarisch herausgegriffen. Was glauben wir zu wissen, was prägt, was wir tun, welche Techniken benutzen wir zur Welterschließung. Das bedeutet für deine Forschung und Lehre, das Kennenlernen räumlich und zeitlich entfernter kultureller Formationen, deren Auswirkungen in der lokalen und globalen Gegenwart, die Befragung von Alltagskultur und künstlerischer Produktion sowie die Untersuchung von Medien und Kulturtechniken. Ganz in diesem Sinne und in diesem Geist steht deine Professur und steht deine Person, die Person von Gudrun Rath, eben heute auch mit deinem neuen Vortrag. Dieser Vortrag verweist auf die Pariser Kommune von 1871 und der Vortrag erkundet als kulturwissenschaftliche Analyse Wege zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und was so wichtig ist, Möglichkeiten für Impulse für die Gegenwart. Gudrun, wir sind sehr gespannt auf deine Ausführungen und freuen uns auf deinen Vortrag. Vielen Dank für diese einleitenden Worte. Ich freue mich, Sie und euch so zahlreich heute hier zu sehen und begrüße natürlich auch alle, die online zugeschaltet sind. Wie ihr wahrscheinlich auf der Einladungskarte gesehen habt und auch jetzt gerade schon gehört habt, ist der Titel Antrittsvorlesung für die heutige Veranstaltung eigentlich nicht so ganz passend, da ich die Stelle schon vor einiger Zeit angetreten habe und diese Veranstaltung findet deshalb mit sehr großer Verspätung statt. Wie gerade schon gehört, habe ich mich in den letzten Jahren mit der Geschichte der Zombie-Figur im transatlantischen Kontext auseinandergesetzt. Heute Abend möchte ich euch allerdings nicht mit grausigen Untoten und der Geschichte des Atlantiks als Todesraum unterhalten. Auch andere Felder, mit denen ich mich in den letzten Jahren ebenfalls beschäftigt habe, wie die Untersuchungsmethoden der Forensik, die auch gerade schon erwähnt wurden, oder wissenschaftliche Untersuchungen und Sammlungen menschlicher Reste oder auch die Medien- und Kulturgeschichte von Geister- und Grottenbahnen werden heute Abend nicht auftauchen. Stattdessen möchte ich heute Abend über ein Thema sprechen, das ich in diesem Semester mit Studierenden diskutiere, nämlich die Geschichte der Pariser Kommune. In diesem Fall kommt mein Interesse an der Geschichte der Kommune aus einer Zusammenarbeit mit einer Gruppe von Forscherinnen, mit denen ich das Interesse an den sozialen Bewegungen des 19. Jahrhunderts teile. Marx und Engels haben lange Zeit die Sichtweise auf diese Gesellschaftsentwürfe geprägt und diese als Utopien und damit letztlich als zum Scheitern verurteilte Spinnereien diskreditiert. Uns interessiert dagegen, mit Maria Tambougou gesprochen, die Realität dieser Gesellschaftsentwürfe. Diese Bewegungen versuchten, ihre Vorstellungen von einer besseren Form der Gemeinschaft in die Tat umzusetzen. Und es geht um die Frage, wie sie, obwohl sie in der Umsetzung auf der Makroebene häufig scheiterten, auf einer Mikroebene alltägliche gesellschaftliche Praktiken prägen konnten und welche Effekte diese bis heute hinterließen. Das beinhaltet auch feministische Gegenentwürfe zum patriarchal geprägten und männlichkeitszentrierten Bruderbund oder zur Brüderlichkeit. In meiner Arbeit interessiert mich also durchwegs, wie und warum die Vergangenheit uns in der Gegenwart nicht loslässt. Dabei geht es weniger um eine lineare Kontinuität zwischen Vergangenheit und Gegenwart, sondern um eine rekursive Vergangenheit, wie es Anne Laura Stoller formuliert hat. Es geht um Geschichten, die immer wieder neu gefaltet werden und durch diese Faltungen neue Oberflächen, neue Seiten und dadurch auch neue Möglichkeiten der Bezugnahme und Entfaltung erhalten. Die Aufmerksamkeit der Forscherin muss in diesem Zusammenhang der Frage gelten, wie offensichtliche, aber auch kaum wahrnehmbare Artikulationsformen dieser Vergangenheiten immer wieder an die Oberfläche kommen. Wie ich mit Aleida Aßmann argumentieren möchte, liegt die gesellschaftliche Aufgabe kulturwissenschaftlicher Forschung in einer Beschäftigung mit der Vergangenheit nicht nur in der kritischen Situierung, sondern auch in der Aktualisierung von Archivgut. Ich verstehe es als eine zentrale Aufgabe kulturwissenschaftlicher Arbeit, anhand von vergessenen Archiven im Wartezustand zwischen den Zeiten Bezüge zu aktuellen gesellschaftlichen Diskursen herzustellen. Gleichzeitig sehe ich es aber auch als notwendig an, durch einen Blick auf gegenwärtige Entwicklungen auch scheintote Quellen der Vergangenheit zu neuem Leben zu erwecken. Im Folgenden möchte ich mit euch solche Wege zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit anhand der Pariser Kommune erkunden, die im Frühjahr 1871 nur 72 Tage lang Bestand hatte, doch die bis heute Impulse für die Möglichkeiten eines solidarischen und gemeinschaftlichen Zusammenlebens gibt. Im Hintergrund werdet ihr, wie schon jetzt, Arbeiten des Pariser Kollektivs Rasputin sehen, zur Pariser Kommune, die diese 2011 im öffentlichen Raum realisiert haben. Ich möchte die folgenden Ausführungen auch Karl Marx widmen, allerdings nicht jenem Karl Marx, an den ihr nun denkt, sondern meinem burgenländischen Großonkel Karl Marx, dem Metallarbeiter. 1920 geboren, ist dieser Karl Marx vor vielen Jahren verstorben und ich habe ihn nie gefragt, ob er von seinem berühmten Namensvetter wusste, in welchem Ausmaß er oder seine Eltern, die ihm den bedeutungsvollen Namen verliehen, mit den Ideen des anderen Karl Marx vertraut waren. Auch für den nicht in die Geschichtsschreibung Eingegangenen, den unbekannten Karl Marx also, die folgende Geschichte. Den unbekannten Karl Marx also die folgende Geschichte. Begeben wir uns nach Paris in ein scheinbar weit in der Vergangenheit liegendes Jahr, 1871. Was geschah in diesen 72 Tagen, die unter dem Namen Pariser Kommune in die Geschichte eingingen? Ein knappes Resümee könnte lauten. In dieser kurzen Zeitspanne stellten die Bewohnerinnen von Paris die selbst ernannte und gewählte Regierung der Stadt und organisierten die Grundlagen des Zusammenlebens neu. Sie vertraten dabei Ansprüche, die weit über die lokale Ebene hinausgingen. Für den berühmten Karl Marx, der auch die Sichtweise auf die Kommune lange prägte, war es bereits ihre schlicht für undenkbar gehaltene Existenz, ihr eigenes arbeitendes Dasein, wie Marx es formulierte, das die größte Bedeutung der Kommune etwas aus der von Marx und anderen geprägten Sichtweise zu lösen, vor allem indem den Stimmen der Kommunardinnen selbst wieder mehr Gehör geschenkt wurde. Es geht also um eine nachträgliche Spurensuche, darum den Worten derjenigen nachzuspüren, die direkt in die Geschehnisse dieser Republik der Arbeiterinnen, wie beteiligte Kommunardinnen es selbst formulierten, involviert waren. Hören wir also eine dieser Stimmen, den Kommunarden Emmanuel Juvier. Für ihn betraf die Kommune nicht nur Paris, sondern war ein kühner Akt des Internationalismus. Dazu in Kürze mehr. Doch wie war Paris zur Kommune gekommen? Auch damals herrschte Krieg in Europa. Preußische Truppen des noch nicht formierten Deutschen Reichs waren im deutsch-französischen Krieg nicht nur quer durch Frankreich gezogen, sie hatten schließlich auch in einer symbolträchtigen Geste die französische Hauptstadt eingekesselt. Hauptstadt eingekesselt. Frankreich kapitulierte, Friedensverhandlungen begannen und eine neue französische Regierung unter Adolphe Thiers, einem überzeugten Monarchisten, konstituierte sich. In dieser bedrohlichen Situation der Belagerung durch die preußischen Truppen hatte die Pariser Bevölkerung Geld gesammelt und selbst Kanonen am obersten Punkt von Montmartre aufgestellt, um Paris gegebenenfalls zu verteidigen. Doch langsam dämmerte der französischen Regierung, dass diese Kanonen des Volkes sich möglicherweise nicht nur gegen die preußischen Truppen, sondern auch gegen die Regierung selbst richten könnten, da diese gegen den Willen der Pariserinnen agiert hatte. Montmartre ist heute ein schicker, glatt polierter Touristenmagnet, bekannt für die monumentale Kirche Sacré-Cœur, die Jahre nach der Kommune erbaut wurde, auch um der in den urbanen Raum eingeschriebenen Erinnerung an die Kommunardinnen etwas entgegenzusetzen. Damals war Montmartre ein Arbeiterinnenviertel, in dem viele Bewohnerinnen auf engstem Raum unter schwierigen Bedingungen lebten. Der Versuch der französischen Regierung, den Menschen in diesem damaligen Arbeiterinnenquartier die Kanonen zu entziehen, scheiterte kläglich. Die Nationalgarde verbündete sich mit den Menschen auf der Straße, die Regierung floh nach Versailles. Folgt man den meisten Historiografien, wurde also am 18. März 1871 der Startschuss für die Kommune gegeben, begann also an diesem Tag die unglaubliche Geschichte. Ausgehend von den Himmelsstürmen auf den Hügeln von Montmartre, wie der berühmte Karl Marx sie nannte, breiteten sich in ganz Paris und parallel dazu in ganz Frankreich Praktiken der Teilhabe an der Gestaltung der Gesellschaft aus, die bis heute aktuell sind. Das Zentralkomitee der Nationalgarde bildete eine Übergangsregierung. Zwei Tage nach den hastig abgehaltenen Wahlen am 26. März konstituierte sich die Pariser Kommune. Unter großer Beteiligung von Frauen, die sich in Strukturen wie der Union des Femmes selbst organisiert hatten, wurden unter anderem Mieten erlassen, Beamte wurden zu einem durchschnittlichen Arbeitslohn entlohnt und von ihren vormaligen Besitzerinnen aufgegebene Fabriken wurden an Arbeiterinnengenossenschaften übergeben. Der Brotpreis wurde fixiert, Amtsträgerinnen der Kommune waren jederzeit abwählbar. Öffentliche Bibliotheken, die zuvor nur Eliten zugänglich waren, wurden neu organisiert. Alle Privilegien bei der Ausleihe von Büchern wurden aufgehoben. Unentgeltliche säkuläre Kinderbetreuung und Schulbildung wurden angeboten, unabhängig von Klasse und Geschlecht. Der von der Kommune mit Maßnahmen wie diesen vertretene Bildungsanspruch ging auf Bildungskonzepte früherer sozialer Bewegungen zurück, die unter anderem von Fourier oder von Jacoteau geprägt und auch in Arbeiterinnenzeitschriften breit diskutiert worden waren. Angestrebt wurde hier eine sogenannte integrale polytechnische Bildung, die letztlich auch die Trennung zwischen manueller und geistiger Arbeit überwinden sollte. Wie im Fall der Arbeiterinnenzeitschriften, die diese spät nachts nach ihrer Lohnarbeit verfassten, die der französische Philosoph Jacques Rancière in seiner eindrucksvollen Studie die Nacht der Proletarier beleuchtet hat, war auch in diesen Konzepten Emanzipation keine Folge von Bildung. Emanzipation war nicht das Resultat von institutioneller Bildung, sondern vielmehr ihre Grundlage. Der Angriff auf verkrustete Hierarchien und Trennungen, den die Kommune unternahm, wie jener zwischen geistiger und manueller Arbeit, wurde auch in eigenen Organisationsformen vorangetrieben, etwa durch die Gründung einer Künstlerinnenvereinigung, deren Vorsitzender der bekannte Maler Gustave Courbet war. Courbet war zusammen mit anderen Malern wie Corot, Manier oder Daumier in das Direktorium der Vereinigung gewählt worden. Doch er war der Einzige, der die Arbeit aufnahm, da die anderen, ebenso wie andere bekannte Künstler wie Cezanne, Pissarro oder Degas, angesichts der anhaltenden preußischen Belagerung schon vor der Ausrufung der Kommune Paris verlassen hatten. Das Manifest der Künstlerinnenvereinigung sah eine Loslösung der Künste von staatlichen Institutionen vor. Darin wurde die Forderung vertreten, dass die Künstler sich selbst verwalten sollten. Sie sollten nicht nur frei von jeglicher staatlicher Beaufsichtigung sein, sondern auch von sämtlichen Privilegien, wie es im Manifest heißt. Das öffentliche Förderungssystem, das vor der Kommune manche Künstlerinnen anderen gegenüber bevorzugt hatte, wurde abgeschafft. An die Stelle eines despotischen Förderungswesens sollte die Kooperation zwischen Künstlerinnen treten. Gleiche Rechte für alle Mitglieder der Föderation, Unabhängigkeit und Würde für jeden einzelnen Künstler unter dem Schutz aller, wie es im Manifest hieß. Es ging also darum, eine gemeinsame Selbstverwaltung zu etablieren und die Beziehungen der Künstlerinnen zueinander ins Zentrum zu rücken. Auch die Verwaltung von Museen und das Kuratieren von Ausstellungen sollten die Künstlerinnen den Vorstellungen der Kommune zufolge selbst in der Hand haben. Diese Forderungen waren auch gegen die repressiven Bedingungen gerichtet, mit denen die Künste in der Zeit vor der Kommune konfrontiert gewesen waren. Zu dieser Zeit waren die Künste, mit Ausnahme von Malerei und Bildhauerei, die einen Sonderstatus hatten, einem staatlichen Zensur-, Überwachungs- und Bespitzelungssystem unterworfen. Einstellungssystem unterworfen. Das Wahlergebnis des Komitees der Künstlerinnenvereinigung der Kommune zeigte, dass die Forderungen des Manifests sich auch in der Praxis niederschlugen. Vertreten waren sämtliche bildende Künste, daneben unter anderem auch Architektur und industrielle Gestaltung. Die Unterscheidung zwischen Kunst und Kunsthandwerk wurde über Bord geworfen. Was blieb, war die Bezeichnung Künstlerin für alle. Es ging letztlich auch darum, das hierarchische Verhältnis zwischen Kunst und Produktion zu untergraben, wie in der Forschung argumentiert wird. Kunst sollte, so eine weitere Forderung des Manifest, letztlich für alle zugänglich sein und nicht länger in private Gemächer eingesperrt werden. In Versailles, wohin die französische Regierung geflohen war, wurden diese Forderungen und Praktiken misstrauisch beobachtet. Doch nach zwei Monaten Schockstarre begann die französische Regierung eine Offensive gegen die Pariser Kommune. Mit dem Einverständnis des nunmehr konstituierten deutschen Kaiserreichs, mit dem als Folge des deutsch-französischen Kriegs nach wie vor Verhandlungen liefen. In der sogenannten Blutwoche im Mai 1871 wurde die Kommune brutal niedergeschlagen. Die Ermordeten wurden in Massengräbern am Straßengang begraben. Die genaue Zahl ist unbekannt, die Forschung geht aber von mehr als 30.000 Toten aus. Noch lange nach der Blutwoche wurden mutmaßliche Beteiligte verfolgt. Einige gingen ins Exil, vor allem in die Schweiz und nach London. Über 9.000 Beteiligte wurden in Gefängnissen an der Atlantikküste weggesperrt oder nach Neukaledonien im Südpazifik deportiert, wo viele der ehemaligen Kommunardinnen auch starben. Erst 1880 wurde in Frankreich eine Amnestie ausgerufen, durch die einige Beteiligte zurückkehren konnten. Dies bedeutete jedoch keine Rehabilitation. Das heißt, die Urteile wurden bis heute nicht aufgehoben, weshalb die Kommunardinnen offiziell immer noch als Straftäterinnen gelten. Eine Maßnahme, um die Kommune weiterhin zu delegitimieren, wie in der Forschung argumentiert wird. Am 29. Mai 1871 erklärte der französische Regierungschef Adolphe Thiers, die Ordnung in Paris sei wiederhergestellt. Doch die Geschichte der Kommune war damit keineswegs zu Ende. Vom Ende wollen wir noch einmal einen Schritt zurückgehen. Zum Anfang. Prosper de Lisgaré, selbst an der Kommune beteiligt und einer ihrer wichtigsten Historiografen, hat in seiner Geschichte der Kommune den 18. März 1871 als den Tag markiert, an dem der Beginn der Kommune angesetzt werden sollte. Und die meisten Analysen der Kommune sind ihm in dieser Einschätzung gefolgt. Doch auch wenn an diesem Tag die französische Regierung unter Adolphe Thiers vergeblich versuchte, die auf dem Montmartre stationierten Kanonen von der Pariser Bevölkerung zurückzuerlangen, greift eine solche Sichtweise zu kurz. Keine Bewegung kommt aus dem Nichts, wie sich in Anlehnung an die beiden Sozialhistoriker Detlef Hartmann und Christoph Wimmer formulieren lässt. Um die Kommunenbewegung zu verstehen, schreiben die beiden Bedarfes eines historischen Blicks auf die Vorgeschichte und die Traditionslinien dieser sozialen Kämpfe. Diese Vorgeschichte betrifft auch den Begriff der Kommune selbst. Der Begriff verweist auf die wachsende Macht der Städter im frühen Mittelalter, die sich selbst verwalten und nicht mehr von ahledigen Herrschern kontrolliert werden wollten. Stadtkommunen und Dörfer besaßen kollektiv nutzbares Land, die sogenannte Almende, bestehend aus Wäldern, Brachen und Weiden. Es existierten also schon vor der gesetzlichen Möglichkeit der Selbstverwaltung der Gemeinden in Frankreich, die erst 1884 eröffnet wurde, Praktiken der gemeinsamen Nutzung des öffentlichen Raums. Gegen Versuche von oben, den Bewohnerinnen die Allmende zu entziehen, gab es eine Tradition energischen Widerstands. In dieser Traditionslinie lassen sich auch die Subsistenzrevolten verorten. Die Revolten von Bäuerinnen, die ab dem 14. Jahrhundert vor allem Südfrankreich immer wieder dann erschütterten, wenn adelige Herrscher den Zugriff auf dieses gemeinschaftlich genutzte Land einschränken wollten, wurden nach dem Spottnamen Jacques Bonhomme, den die adeligen den Bäuerinnen gaben, Jacques-Hérine genannt. Die Kommune steht aber natürlich auch noch in einer anderen Traditionslinie. Im Kontext des Zeitalters der Revolutionen, das seit der amerikanischen, französischen und haitianischen Revolution im langen 19. Jahrhundert scheinbar fest in ihren Satteln sitzende Akteurinnen, ökonomische und Herrschaftsstrukturen nicht nur in Europa, sondern auch in den Amerikas erschütterte und dann 1830 und schließlich 1848 in weiteren Wellen revolutionärer Bewegungen mit demokratischem Anspruch über Europa schwappte, auch in Wien. In Paris wurde nach dem Sturm auf die Bastille 1789 die Kommune von Paris als Revolutionsregierung ausgerufen, die mit Vertretern aus den 60 Pariser Bezirken die Kommune als legitime Vertretung der Stadt bestimmten, bevor diese von der aufständischen Kommune ersetzt wurde. Der Begriff der Kommune war also bereits vor der Kommune Teil einer revolutionären Praxis. All diese Kämpfe nahmen Bezug aufeinander und lernten von ihren Niederlagen und Erfolgen, wie Hartmann und Wimmer argumentieren. Und sie schreiben weiter, die Erfahrungen der Kämpfe wurden von den Beteiligten über die Jahre im Gedächtnis mündlicher Überlieferung, aber auch schriftlich aufgehoben und weitergegeben und bildeten somit einen Bedeutungsraum für das revolutionäre Bewusstsein, aus dem die Bewegungen schöpfen konnten. Gleichzeitig gab es auch persönliche Beziehungen. Beteiligte an der Revolution von 1848 waren auch in der Kommunenbewegung aktiv und gingen gemeinsam mit jüngeren Beteiligten erneut auf die Barrikaden. Wie Hartmann und Wimmer argumentieren, war die Frage der Erinnerung für diese Menschen deshalb keine rein intellektuelle, sondern eine, die aus den konkreten sozialen Beziehungen erwuchs. Über ihre Rolle im Zeitalter der Revolutionen hinaus konnte die Kommunenbewegung auch aus einem Wissensreservoir der Arbeiterinnenversammlungen und revolutionären Clubs und den daraus entstandenen Vereinen und Komitees, ebenso wie aus vorangegangenen Versuchen der Selbstorganisierung der Arbeiterinnen schöpfen, die in den Jahrzehnten vor der Kommune unternommen wurden. Arbeiterinnenzusammenkünfte und Streiks waren in Frankreich seit dem 18. Jahrhundert gesetzlich untersagt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nach einer Reihe von Aufständen, gab es weitere Verschärfungen im Strafgesetzbuch. Selbstversammlungen mit weniger als 20 Personen konnten strafrechtlich verfolgt werden. Ein strikt geführtes Arbeitsbuch, das sogenannte Livret, das alle Arbeiterinnen mit sich führen mussten, ermöglichte es Arbeitgeberinnen, umtriebige und politisch missliebige Arbeiterinnen zu entlassen. Ab 1860 jedoch sah sich das Zweite Kaiserreich gezwungen, nicht nur die Gesellschaften zur gegenseitigen Unterstützung eine frühe Form der Krankenversicherung zu gewähren, sondern auch Streiks zu legalisieren. Versammlungen und die Gründung von Vereinen waren ab 1868 erlaubt, weshalb jüngere Forschung betont hat, wie wichtig dieses Jahr auch für die Konstituierung der Kommunenbewegung war. Bereits in diesen Kontexten spielte die Idee einer Kommune noch vor ihrer tatsächlichen Ausrufung eine große Rolle. Diese Einschätzung bestätigen auch Dokumente aus dem Archiv. Der gesamte Schaden, wettete etwa Chevalier Dalis, ein Gegner der Kommune in seinem Dictionnaire de la Commune, wurde von den Clubs und Assoziationen angerichtet. Alle Ereignisse, die sich jüngst in Paris zugetragen haben, führe ich auf die Clubs und Versammlungen zurück, auf den Wunsch dieser Leute, besser zu leben, als es ihre Lage erlaubt. Entscheidend war auch, wer sich bei diesen Versammlungen traf. Da waren einerseits die Revolutionärinnen von 1848, andererseits junge Arbeiterinnen, die bereits in der ersten Internationale organisiert waren. Auch internationale Akteurinnen aus London, Brüssel und Genf hatten Einfluss auf die Selbstorganisation in der Kommune. Wir werden sie bekommen, unsere Kommune, unsere große demokratische und soziale Kommune. Oder Viva la Commune heißt es etwa in den veröffentlichten Protokollen dieser Versammlungen. Der Kommunarde Arthur Annull, der nach der Niederschlagung der Kommune in die Schweiz in Sexil ging, wo er mit Geflügel handelte, hielt in seiner dort verfassten Analyse der Kommune fest. Zu diesem Zeitpunkt, also im Januar 1871, drei Monate vor ihrer offiziellen Ausrufung, und das kann ich gar nicht genug betonen, weil es so wichtig ist und bislang offenbar übersehen wurde, existierte die Kommune faktisch bereits. Die Pariser Kommune war mehr und etwas anderes als ein Aufstand. Sie war der Durchbruch eines Prinzips, die Behauptung einer bestimmten Politik. In der Forschung ist die Kommune deshalb zuletzt als eine Gemeinschaft skizziert worden, die Modelle, Ideen und Losungen aus der Vergangenheit in der fieberhaften Atmosphäre der Clubs und der Kommune neu fasste. Darunter eben auch den Begriff der Kommune selbst. Nach der Niederschlagung der Kommune wurde ihre Geschichte nicht nur von der offiziellen kommunistischen Historiografie vereinnahmt, die die Kommune häufig als Vorbotin der russischen Revolution stilisierte. Auch von Seiten der französischen Nation wurden Errungenschaften der Kommune vereinnahmt, die heute als charakteristisch für Frankreich gelten, wie etwa umfassende und kostenlose Kinderbetreuung. Die Dritte Republik wurde, wie die Forschung argumentiert hat, wieder begründet und gefestigt auf den Leichnamen der Kommunardinnen. Trotz, oder wie ich argumentieren möchte, gerade aufgrund ihrer Kritik an der Nation, hat die Pariser Kommune die Konsolidierung der französischen Nation maßgeblich mitgeprägt. Diese Kritik an der Nation findet sich nicht nur in den Forderungen und Perspektiven der Kommunardinnen. Sie hat zuletzt auch ihren Niederschlag in kulturwissenschaftlicher Forschung gefunden, die versucht, die Pariser Kommune sowohl aus der Vereinnahmung durch die staatssozialistische Historiografie als auch aus einer auf die französische Nation beschränkten Analyseperspektive zu lösen. Die Kommune war eine Absage an den Nationalismus, und zwar nicht nur durch ihren hohen Anteil an internationalen Beteiligten. Sie verstand sich als Teil einer umfassenderen internationalen Kommunenbewegung, über der die Fahne der Weltrepublik wehte. Dies veränderte auch den Republikanismus, denn die eigene Republik wurde als eine universelle und nicht mehr auf die Nation beschränkte begriffen. Der Kommunade Elisirik Klü unterstrich dies. Es genügt nicht, jede Nation, die unter der Knute eines Königs steht, einzeln zu befreien. Sie muss auch von der Vormacht anderer Nationen befreit werden. Man muss die Schranken, die Grenzen abschaffen, die aus liebenswerten Menschen Feinde machen. Unser Schlachtruf lautet nicht länger, lang lebe die Republik, er lautet, lang lebe die Weltrepublik. Diese Absage an den Nationalismus betraf auch die französischen Kolonien. Indem sie die Protokolle der revolutionären Clubs analysierte, aus denen die Kommune, wie erwähnt, auch hervorging, konnte kulturwissenschaftliche Forschung zeigen, dass bereits in diesen natürlich nicht ausschließlich, aber auch antikoloniale Positionen vertreten wurden, die sich später auch in der Kommune finden. Aurine Toilin, Kunsthandwerker und Mitglied der Internationale, stellte in einer später veröffentlichten Rede in den Clubs 1871 fest, nicht die Zivilisation haben die Franzosen Algerien gebracht, sondern Elend und Knechtschaft. Bis heute bekannt ist auch einer der ersten Akte der Kommunardinnen, der symbolträchtige Sturz der Vendôme-Säule, die die Imperialismen Napoleon Bonaparte symbolisierte. Deren Sturz sollte dem Kommunarden Benoit Malon zufolge ein Bekenntnis zur internationalen Brüderlichkeit darstellen. Der Kommunarde Elisire Clu kommentierte diesen Akt folgendermaßen. Der Kommunade Elisire Clu kommentierte diesen Akt folgendermaßen. Es hat in diesem Jahrhundert kein Zeichen der Zeit von gewaltigerer Bedeutung gegeben, als das Umstürzen der imperialen Säule auf ihr Mistbeet. in Neukaledonien auf Verbande aus den französischen Kolonien. Die Verbindungen zwischen den Magieren der französischen Regierung innerhalb der Nation und den Kolonien wurde so besonders sichtbar, denn die französische Regierung hatte im Frühling 1871 nicht nur gegen Bewegungen in der französischen Hauptstadt und anderen Städten, sondern auch in Algerien gekämpft. Doch diese Fronten eröffneten sich nicht unabhängig voneinander, sondern in unmittelbarer Folge und in Bezugnahme aufeinander. Nach 1848 waren mehr als 20.000 Pariser Arbeiterinnen nach Algerien verbannt worden. Weitere 10.000 mittelständische französische Revolutionärinnen nach 1851. Ihre Lebensbedingungen in der Kolonie, ebenso wie die ihnen eingeschriebenen Revolutionsgeschichten, gaben Anlass, sich ab 1870 nach dem Sturz Napoleon III. erneut gegen die französische Regierung zu organisieren. 1870 besetzten europäische Arbeiterinnen gemeinsam mit Araberinnen den Gouverneurspalast in Algier. Im Frühling 1871, als in Paris bereits die Kommune ausgerufen worden war, lehnten sich Revoltierende in Algerien in der sogenannten Mokrame-Revolte auf. Da sie mit der Kommune beschäftigt war, konnte die französische Regierung zunächst keine Truppen nach Algerien senden. Erst nach der Niederschlagung der Kommune wurden Truppen entsandt und in Algier und Umgebung der Belagerungszustand verhängt, um sowohl gegen revolutionäre französische Clubs in Algerien als auch gegen algerische Aufständische vorzugehen. In der kulturwissenschaftlichen Forschung ist für eine solche dringend notwendige Vogelperspektive auf Zusammenhänge jenseits nationaler Grenzen und Geschichtsschreibung der Begriff der Verflechtungsgeschichte geprägt worden. Diese Perspektive geht von dem Befund aus, dass die Entwicklung Europas nicht abgekoppelt vom Rest der Welt gesehen werden kann, die sich seit den Kolonialismen und Imperialismen in einer unauflösbaren Verflechtung Europas mit der außereuropäischen Welt befand und deshalb auch in dem Versuch, europäische Geschichte zu denken, ihre Berücksichtigung finden muss. Erweitert man den Blick auf die Pariser Kommune im Sinne einer solchen Verflechtungsgeschichte, ergibt sich eine Perspektive, die zeigt, dass Soldaten gewissermaßen die Niederschlagung der Aufstände in Algerien an der Pariser Kommune erprobten. Dieselben Truppen, die bereits zur Niederschlagung der Kommune eingesetzt worden waren, wurden nun auch nach Algerien geschickt. Auch später zeigen sich transnationale Zusammenhänge in der Gewalt gegen Revoltierende, wenn kolonialen Truppen der Auftrag erteilt wurde, Aufstände in Martinique auf die Pariser Art in Anspielung auf die Kommune niederzuschlagen. Die Geschichte der Kommune ist also grundsätzlich auch eine Geschichte der Gewalt. Die Kommune ist nicht erzählbar, ohne den Spuren dieser Gewalt nachzugehen. Dies betrifft nicht nur die Gewalt gegen Kommunardinnen, sondern auch die Gewalt, in die diese selbst verstrickt waren. Wie die Studierenden in meinem Seminar argumentiert haben, ist die in der Forschung romantisierte Kulturgeschichte der Barrikaden letztlich auch eine Geschichte der Gewaltbereitschaft. Dennoch ruft uns die Kommune heute dazu auf, die Verherrlichungen bellizistischer Männlichkeit, wie wir sie aktuell in den Medien finden, kritisch zu hinterfragen. Darüber hinaus zeigen sich die Spuren der Gewalt natürlich auch in den erschütternden Fotografien der ermordeten Kommunardinnen, die auch ein Element in der Geschichte des Mediums Fotografie als Medium der Repression bilden. Die Kommunardinnen hatten in eindrucksvollen Bildern selbst von diesem sich etablierenden Medium Gebrauch gemacht. Sie posierten auf den errichteten Barrikaden. In der ganzen Stadt waren Porträts der Kommunardinnen in öffentlichen und privaten Schaufenstern ausgestellt. Auch in Zeitungen wurden die Fotografien der Kommune verbreitet. Doch diese Fotografien wurden in der Zeit ihrer Niederschlagung von der Polizei gegen die Kommunardinnen gewendet und in Alben kompiliert, um die Beteiligten zu identifizieren und anzuklagen. Dies hatte den Hintergrund, dass in den letzten Tagen der Kommune beim Brand im Motel de Ville, also im Rathaus, fast alle Personenstandsakten zerstört worden waren, weshalb es für die Behörden nahezu unmöglich geworden war, vor 1859 geborene Personen zu identifizieren. Wenige Jahre nach der Kommune sollte die Pariser Präfektur das Medium Fotografie in ihr eigenes Repertoire der Repression aufnehmen, in dem alle Menschen, die eines Verbrechens verdächtigt wurden, in einem Fotoregister von einer eigenen Fotografieabteilung festgehalten wurden. Der bekannte Polizeibeamte Alphonse Bertillon sollte in den darauffolgenden Jahren diese Identifizierungsmaßnahmen im bekannten anthropometrischen Verfahren der Bertillonnage weiterführen. Und doch, auch eine Geschichte der Gewalt vermag es nicht, die Geschichte der Kommune erschöpfend zu erzählen. Paris, blutend im Mondschein, träumt über dem Grab der Kommune, wie Victor Hugo schrieb. Die Gewalt konnte die Träume nicht auslöschen. Die Kraft, die von der Idee der Kommune ausging, deutet sich schon in den Fotografien der Barrikaden an. Ausschnitte einer solchen Fotografie seht ihr auch auf dem von Hannau Bresnik gestalteten Plakat zum heutigen Abend. Diese Fotografien entziehen sich auch den Versuchen der Disziplinierung, die mit der osmanschen Umgestaltung des urbanen Raums und der Modernisierung der französischen Hauptstadt einherging. Die Bewegung dieser ephemeren Gestalten auf den Fotografien ist nicht zu stoppen. Christine Ross hat in diesem Sinn anlässlich des 150-jährigen Jahrestags der Kommune eine bestechende Analyse derselben vorgelegt. Sie untersucht darin das Nachleben der Kommune und fokussiert dabei vor allem einen Zeitraum, in dem die Beteiligten noch am Leben waren. allem einen Zeitraum, in dem die Beteiligten noch am Leben waren. Die Schriften der nach der Kommune Vertriebenen sind für Ross integraler Bestandteil des als Kommune bekannt gewordenen Ereignisses. Ross nennt dies Syrvie, ein Leben jenseits des Lebens. Ihre Analyse zeichnet die Kraftfelder der Bewegung und ihre zentrifugalen Effekte weiter nach, indem sie den Spuren und Schriften der Beteiligten und ihren Zeitgenossen ins Schweizer Exil und nach London folgt. Allen voran jenen des Kommunarden und heute als antikolonialen Geografen geltenden Elisire Clue, aber auch des englischen Künstlers William Morris und Piotr Kropotkin, die freundschaftlich miteinander verbunden waren. Ihre Schriften machen deutlich, dass die Bedeutung der Kommune nicht auf ein Ereignis der französischen Nationalgeschichte beschränkt werden kann. Sie zeigen vielmehr, dass die Ideen der Kommune über nationale Grenzen hinaus ihre Wirkung und Nachwirkung entfalten konnten und höchst mobil blieben. Während Morris die Erinnerung an die Kommune lieber in rauschenden Festen als in Gedenkveranstaltungen aufrechterhalten wollte, war für Rueclue im Anschluss an die Kommune Solidarität ein Akt, der nicht nur zwischen Lebenden ausgeübt, sondern auch zwischen Lebenden und Toten. Ein Begriffsverständnis, das es wert ist, auch in aktuelle gesellschaftliche Diskurse eingebracht zu werden. Kropotkin wiederum verstand die Kommune nicht als räumlich fixierte Einheit, sondern als mobiles, weltumspannendes Konzept und erschrieb, für uns bedeutet Kommune nicht mehr eine territoriale Zusammenballung. Es ist eher eine allgemeine Bezeichnung, ein Synonym, eine Gruppe von Gleichen, die weder Mauern noch Grenzen kennt. Ein Synonym, eine Gruppe von Gleichen, die weder Mauern noch Grenzen kennt. Die Kommune als Vorbild, als Grund zum Feiern und als Verpflichtung konzentriert Ross diese Positionen und sie schreibt weiter. Zusammen ergeben diese drei Momente eine recht gute Annäherung an das damalige Verständnis von Solidarität, als ein praktisches Verhalten, das über die Umstände, Motivationen und Gründe eines bestimmten Ereignisses hinausgeht und aus politischen Erfahrungen ebenso erwächst, wie es sie ihrerseits prägt. Über diese aus der Kommune gewachsenen Konzeptionen von Gemeinschaft hinaus, die nach der Kommune Rückbezüge seitens so unterschiedlicher Bewegungen wie das Mai 68, Occupy Wall Street oder der weltweiten Platzbesetzungen, aber auch literarischer und filmischer Reenactments wie Peter Watkins' epischem Film The Commune möglich machten, geht es hier letztlich auch um Fragen darüber, wie kulturelle Erinnerung gelebt wird. kulturelle Erinnerung gelebt wird. Wie in der Forschung kürzlich argumentiert wurde, können kulturelle Praktiken der Erinnerung an die Kommune, wie die vor dem Ersten Weltkrieg verbreiteten Erinnerungsfeste, den Memory Activism des 19. Jahrhunderts oder auch die jährlich stattfindende Prozession zum Friedhof Berlachais als Teil einer Geschichte begriffen werden, in der sich Erinnerung nicht ausschließlich auf Gewalt, sondern auch auf positive Werte bezieht. Denn mehr als von ihrer zweifelsohne auch in die eingeschriebenen Geschichte der Gewalt ist die Erinnerung der Kommune letztlich auch vom Konzept der Hoffnung geprägt. Hoffnung wird hier zu einem Gegengewicht zu einer nationalistischen Paranoia, aber auch zu einer Grundvoraussetzung demokratischen Handelns, wie in der Forschung argumentiert wurde. Terry Eagleton hat Hoffnung als ein Moment gezeichnet, das sich durch eine antizipatorische Logik auszeichnet, als eine Möglichkeit, die den Kampf für ein besseres Leben motiviert, wenn auch in der Mikrostruktur, in Alltagspraktiken, eher als in großen revolutionären Handlungen. Während es zweifelsohne in der Erinnerung an die Gräuel der Vergangenheit und Gegenwart noch viel zu tun gibt und eine ethik der Erinnerung, wie sie von Alejandro Bär und Nathan Snyder gefordert wurde, uns im Sinne eines Nie-Wieder als Utopie der Abwesenheit eine Zukunft imaginieren lässt, in der sich Schreckens-Taten nicht wiederholen, gibt uns die Erinnerung an die Kommune auch Anlass, Hoffnung durch Erinnerung aufrechtzuerhalten. Was also bleibt für morgen? Morgen am 5. Mai jährt sich nicht nur der Geburtstag des berühmten Karl Marx, von dem der unbekannte Karl Marx möglicherweise nur geringe Ahnung hatte. Der 5. Mai ist auch der Tag, an dem die US-amerikanischen Truppen Mauthausen befreiten und der als Tag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus etabliert wurde. Der 5. Mai wird an der Kunstuniversität nun auch als ein Gedenktag begangen, der Anlass zur Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte der Brückenkopfgebäude gibt. Morgen werden aus diesem Anlass Stimmen von Zeitzeuginnen aus dem KZ Mauthausen im Foyer zu hören und zu sehen sein. Bevor wir morgen, und mit diesem Hinweis möchte ich schließen, alle im Rahmen einer performativen Fassadenaktion eingeladen sind, Zeichen der Erinnerung im Sinne eines Nie-Wiederzusetzen, möchte ich mit euch heute nun noch einmal gemeinsam anstoßen, im Sinne der Kommune als Gemeinschaft, die durch Hoffnung erinnert und genährt wird und so über das lokale Ereignis hinaus bis heute weitergeht. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. Und eine Anmerkung noch, es gibt nebenan noch einen Umtrunk.