Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Sie sehr herzlich zur heutigen Veranstaltung begrüßen. Wir freuen uns sehr, dass die Buchpremiere des neuen Romans Schöne Ungeheuer von Wilfried Steiner hier bei uns im Stifterhaus stattfindet. Ich begrüße Wilfried Steiner sehr herzlich. Herzlich willkommen. Erschienen ist der Roman im Otto-Müller-Verlag und der Verleger Arno Kleibl ist heute ebenfalls zu uns gekommen. Auch ihn begrüße ich sehr herzlich. begrüße ich sehr herzlich. Moderieren wird den heutigen Abend der Literatur- und Musikkritiker Sebastian Fastuber. Ebenfalls herzlich willkommen. Vor einem halben Jahr hat Wilfried Steiner seinen Essay »G Gustav Landauer oder die gestohlene Zeit bei uns präsentiert. Vergangene Woche ist nun sein neuer Roman Schöne Ungeheuer erschienen. So wie in seinem letzten Roman Trost der Rache 2017 erschienen, greift Wilfried Steiner auch in Schöne Ungeheuer wieder ein Thema aus der Naturwissenschaft auf, diesmal aus dem Feld der Physik. Ein Hauptanliegen, das die Romanfiguren leitet, ist die Suche nach einer Antwort, nach der Erklärung oder, wie es im Klappentext heißt, nach der Wahrheit und zwar in unterschiedlichen Zusammenhängen. Auch der neue Roman ist sehr genau recherchiert. Seine Recherchen führten Wilfried Steiner unter anderem ins Forschungszentrum ZERN nach Genf. Robert Menasse schreibt über den Roman thematisch extrem spannend und sprachlich und kompositorisch wohl Steiners bester. Ich wünsche uns in diesem Sinne einen anregenden Abend. Und bevor ich das Wort übergebe, möchte ich noch etwas zu den Masken sagen. Und zwar ab morgen gilt wieder die Maskenpflicht in Innenräume und heute ist sie von uns dringend empfohlen, weil ja die Fallz okay. Exponiert. Stimmt doch. Hm? Achso. Dann machen wir... Entschuldigung. Was, was? Entschuldigung bitte. Ah, okay. Wir können reisen nach Jerusalem. Ich bin noch nie links gesessen. Entschuldigung. Entschuldigung. Ah, okay. Reise nach Jerusalem. Ich bin noch nie links gesessen. Dann muss ich dir leider dein Bier wegnennen. Hallo, guten Abend. Das ist ein völlig neues Gefühl. Ich bin noch nie links gesessen. Wenn das Fernsehen das erfordert, dann machen wir mit. Ich bin links gesessen, aber gut, wenn das Fernsehen das erfordert, dann machen wir mit. Ja, wir haben schon gehört, es geht in diesem Roman sehr stark um die Welt der Physik. Ich würde auch gerne mit einer Frage ans Publikum einsteigen. Wer war wie ich schlecht in Physik? Oder sagen wir mal mäßig interessiert? Es ist so. Ja, gar nicht so viele eigentlich. Es gilt aber heute trotzdem nicht als Ausrede. Der Roman hat selbst mich als Physik-Muffel abgeholt und fasziniert. Ich denke mir, bei Ihnen wird das nicht anders sein. Wie schon gehört, besuchen wir im Roman das Forschungszentrum CERN. Es werden konkurrierende Physikerschulen vorgestellt, die Experimentalphysiker und die theoretischen Physiker. Bitte immer gleich zu korrigieren, wenn ihr Blödsinn sagt, das ist ganz wichtig. Wenn man so will, die Pragmatiker unter den Physikern und die Träumer. Und dann werden wir auch schnell sehen, das ist in Wahrheit gar kein trockener Stoff, den Wilfried Steiner uns da auftischt. Denn es geht im Grunde, wie so oft in seinen Büchern, um Leidenschaften und um Menschen mit einer großen Obsession. Es ist allerdings diesmal, glaube ich, ein extrem dialogreiches Buch. Es wird ständig kommuniziert, die Figuren tauschen sich aus, sie necken sich oder sie reden auch mal aneinander vorbei. Die Figuren tauschen sich aus, sie necken sich oder sie reden auch mal aneinander vorbei. Ich habe mir gedacht, wir verzichten deshalb heute auf das germanistische Blabla in der Einleitung. Das will am Ende eines langen Tages eh niemand wirklich hören. Wir reden, wenn Wilfried Steiner nicht gerade aus dem Buch liest, darüber. Drum jetzt vor der Lesung einleitend auch schon ein paar Fragen. Du bist Autor, seit Ewigkeitenigkeiten als germanistik studiert aber du hast offenbar in physik auch aufgepasst oder wo kommt dieses interesse her das ist ganz lustig weil ich war wirklich schlecht in physik und ich habe einen physiklehrer gehabt den ich nicht besonders gut gefunden habe es ist eigentlich deswegen entstanden weil ich mir so seit ich acht oder neun Jahre alt war, irrsinnig für Sterne interessiert habe, also für die Astronomie. Und je mehr ich mich für die Astronomie interessiert habe, desto mehr kam es dann auch sozusagen in den tatsächlich interessantesten kosmologischen Erkenntnisse gewinnen kann, das ist halt einfach dieses Forschungszentrum CERN. Und deswegen bin ich also kurz oder lang dort gelandet, was gar nicht so leicht war. Deine umfangreichste Recherche vermutlich. Ja. Im letzten Buch der Trost der Rache ja schon mit der Astronomie, mit Reisen verbunden und so weiter. Aber wie hat das diesmal ausgeschaut? Naja, diesmal war es, im Verhältnis zum letzten Mal, war es natürlich noch die Gefahr viel größer, dass man da irgendeinen Bock schießt. Also man kann kein Roman schreiben über das Zern und und macht dann einen Fehler, einen physikalischen. Und deswegen habe ich mich da wirklich sehr gut vorbereitet und ich war insgesamt viermal dort in Genf. Ich habe natürlich irrsinnig viel gelesen darüber, aber die Hauptsache war eigentlich, dass zwei Physiker aus Wien, die arbeiten bei der HEFI, das ist die Hochenergiefysik-Abteilung, dass die mich wirklich auch durch den Roman begleitet haben. Und das war für mich wirklich ganz, ganz spannend, weil die Frau Claudia Wulz, die muss ich da jetzt namentlich erwähnen, das ist eine fast Nobelpreisträgerin, die war dabei, wie die W- und Z-Bersonen entdeckt worden sind, schon am Zähren. Und die hat nicht nur meine Fragen beantwortet, sondern die hat den gesamten Roman auf physikalische Fehlerkorrektur gelesen. Und das war dann der Ritterschlag sozusagen. Und ich habe also sozusagen die zwei großen Detektoren, die es da unten gibt, einmal mit der Frau Wulz betreten dürfen und einmal mit einem sehr tollen Physiker, der mir den Atlas dann nahegebracht hat. Aber man darf da natürlich nur runter, wenn das gerade nicht läuft. nicht läuft. Wären der Recherchen eigentlich schon klar, in welche Richtung das Roman laufen wird? Also welche Figuren da auftreten werden, wo die Handlung hinführt? Oder eher so, ich schaue, wie weit ich da vordringe mit meinen Recherchen, mit meinem Verständnis, wo es mich hinführt? Also es waren zwei große Dinge. Das eine ist, geht sich dieses Rätsel, dieses physikalische Rätsel, geht sich das wissenschaftlich aus oder ist das ein Blödsinn? Das war die Hauptgeschichte. Ist das tatsächlich ein denkbarer, ein möglicher, eine mögliche Entdeckung, die da vorkommt? Und wie ich das gewusst habe, das war dann die halbe Mitte sozusagen, dass das geht. Und was ich ganz bis zum Schluss nicht gewusst habe, ist, wie die Liebesgeschichte ausgeht. Und das habe ich, glaube ich, erst auf der fünftletzten Seite dann entschieden. Also ein tastendes Vorgehen. Genau. Aber manche Sachen waren natürlich klar und die Beschreibungen vom CERN und diese, weil ich erzähle es ja zuerst oben, also es ist ja ähnlich, wie es bei mir war, dass ich die ersten beiden Besuche, bist du nur oben, also dort, wo die Wissenschaftler arbeiten, aber du darfst nicht hinunter, das ist ja 100 Meter unter der Erde, aber du darfst nicht hinunter, das ist ja 100 Meter unter der Erde, dieser Large Hydron Collider, und wenn der in Betrieb ist, darf man nicht runter, aber wenn er nicht in Betrieb ist, dann fährst du da runter in 100 Meter Tiefe und dann kommt scheinbar das große Staunen, also das ist schon geradezu ehrfürchtig, was einem da überfällt. Der Protagonist im Roman, der reagiert dann quasi wie ein Fan, diese Physiker fast wie Popstars, das war jetzt ein Autogramm holen, da kann man den Autor auch darin sehen, oder? Das war wirklich sehr lustig, weil mir ist genauso gegangen, wie die Fabiola Gianotti vorbeigegangen ist, da habe ich mir gedacht, hup, fiel jetzt auf und frag, das ist mir jetzt peinlich. Aber die ist wirklich so hinter mir vorbeigegangen, ich habe gedacht, hupf ich jetzt auf und frage, ist das ein Autogramm? Nein, das ist mir jetzt peinlich. Aber die ist wirklich so hinter mir vorbeigegangen und ich habe zu Frau Wulz gesagt, ist das die Gianotti? Und sie hat gesagt, ja. Und dann habe ich mich wieder hingesetzt und gesagt, nein, das tut es nicht. Die ja die Entdeckung des Higgs-Bosons verkündet hat, Fabiola Gianotti, die momentane Chefin vom CERN. Entdeckung des Higgs-Bosons verkündet hat, Fabiola Giannotti, die momentane Chefin vom CERN. Kurz, bei der Vorbereitung hatte ich mir nochmal Revue besinnen lassen, eine ganze Romane, die ich alle gelesen habe, aus den letzten 10, 15 Jahren ungefähr, angefangen mit Der Weg nach Xenadu, dann Beckons Finsternis, der natürlich mit der Träume, der Trost der Rache und das dieser. Die ersten drei waren so eine Trilogie zu verschiedenen Künsten, Literatur, Malerei, Theater. Zuletzt ging es in der Trost der Rache um Astronomie, jetzt um Physik. Ich meine, das lässt schon wieder so einen kleinen Trilogie-Verdacht habe ich. Ich ist ein kleiner Trilogie-Verdacht. Ich kann zu dem Neuen eigentlich noch gar nichts sagen, weil es kann sein, dass es wieder einen totalen Haken schlägt, weil im Moment interessiere ich mich nicht für Romantik. Und es könnte sein, dass es in die Richtung geht. Aber ich war da relativ lang recherchieren in der Schweiz auf dem Monte Verità, wo die verrückten Anarchisten und Psychoanalytiker und was weiß ich was, Maler, Aussteiger dort irgendwie gelebt haben. Und da bin ich eigentlich, ich wurde in Gustav Landauer zu diesem Monte Verità gekommen. Und das hat mich sehr interessiert und da glaube ich könnte es vielleicht hingehen, aber es ist ganz, ganz in den Kinderschuhen. Nicht Gustav Landau, sondern ich muss nachschauen, sondern Georg Hollaus. Die Lesung beginnt und der Roman beginnt mit einem abgewandelten oder jüngsten Zitat, kennt man es noch, oder? Genau, natürlich. So, jetzt schauen wir mal. Ich habe mich bemüht, eine Fassung zusammenzustellen, die Sie mitnimmt ein bisschen auf diesen Weg und trotzdem stark eingestrichen ist. Also, dass wir so weit wie möglich vordringen in den Roman, aber dass es gleichzeitig dann nicht zu lang wird. Schauen wir uns das mal an, ob das geklappt hat. Schöne Ungeheuer, Roman. Das Firmament klafft in zwei, glühendes Rot sickert durch den Spalt. Ein hohes Pfeifen erfüllt die Luft, für menschliche Ohren kaum zu ertragen. Ein hohes Pfeifen erfüllt die Luft, für menschliche Ohren kaum zu ertragen. Schlagartig wird es so heiß, dass manche Hirten sich die Kleider vom Leib reißen, weil sie denken, sie würden brennen. Eine von überirdischen Scheinwerfern erhellte Nacht, eine Flut aus lodernder Atmosphäre. Zwischen den versenkten Fußsohlen schwappt die Hölle herauf. Erster Teil, Himmel in Flammen. Eins. Ich war noch niemals in Sibirien. Nun kann sich diese Gegend, was ihre Attraktivität betrifft, natürlich nicht mit New York messen und die meisten Menschen, die das Land noch nie betreten haben, werden es auch nicht besonders vermissen. Doch in meinem Fall ist es anders. Jemand, der sich seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, mit einem Ereignis an einem bestimmten Ort beschäftigt, sogar das Ziel oder den Traum hat, darüber ein Buch zu verfassen, sollte doch alles daran setzen, diesen Ort aufzusuchen. Noch dazu, wenn es ein Werk werden soll, das wissenschaftlichen Kriterien standhält. Dann müsste doch die Recherche an der Stätte des Geschehenen unverzichtbar sein. Nein, mehr als das, der Verfasser müsste einen unstillbaren Drang verspüren, dorthin zu reisen. Aber nein, nicht nur, dass mich schon der Gedanke an die tagelange Anreise zurückschrecken lässt, ganz zu schweigen von der Vorstellung, allein durch die menschenleere Tundra zu streifen, ich habe auch gleich eine schöne Rationalisierung parat. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass ausgerechnet ich dort etwas Neues herausfinden würde, nach all den professionellen Expeditionen der Vergangenheit. Das entbehrt nicht einer gewissen Logik. Doch dann höre ich meine innere Gegenstimme und sie verkündet, dass mein geplantes Werk automatisch wertlos wäre, wenn ihm nicht bisher Unbekannte am Schauplatz entdeckte Erkenntnisse zugrunde legen. Keine Reise, kein Buch. Die Lähmung ist vollkommen und dennoch sammle ich weiter Informationen, die Ordner türmen sich in jeder Ecke meines Arbeitszimmers, kenne noch so abseitige Nachrichten über mein Thema, die nicht fein säuberlich abgeheftet und zusätzlich in einer von hunderten W-Dateien gespeichert wäre. An Zeit mangelt es mir nicht. Ich arbeite beim Beobachter, einer mittelgroßen Wiener Zeitung, die jeden Tag aufs Neue an ihrem Anspruch scheitert, der österreichische Guardian zu werden. Dort hat man mir mit den Jahren eine gewisse Nahenfreiheit zugestanden. Mein Beruf wird mit einem von jenem zusammengesetzten Begriffen bezeichnet, deren erster Teil Erwartungen weckt, die der zweite nicht erfüllen kann. Wissenschaftsjournalist, Großer Auftakt, enttäuschender Abgang. Wie Theaterkritiker, Literaturredakteur oder Musiklehrerin. Wenigstens pflegte Helga zu sagen, kein Oxymoron wie katholische Frauenbewegung. Sie tröstete mich immer, wenn mich das Gefühl beschlich, ein Versager zu sein. Wer es nicht zum Künstler oder Wissenschaftler bringt, sagte sie gern, wird eben Journalist, daran ist nichts Ehrenrühriges. Ich bildete mir stets ein, in dieser Beschwichtigung eine Portion Verachtung mitschwingen zu hören. Dass sie mich schließlich verlassen hat, scheint diesen Verdacht zu bestätigen. Manchmal denke ich, wenn ich das Buch zu Ende geschrieben hätte, wäre sie vielleicht geblieben. Mein Kollege Herbert Schiller, Ressortleiter für Politik und Wirtschaft, der von allen schlicht Herbert genannt werden möchte, war einst ein Journalist der alten Schule. In dieser Zeit waren wir beinahe Freunde. Doch dann geschah etwas mit ihm. Sei es, weil er plötzlich beschloss, Karriere zu machen, sei es, weil er schlechte Berater hatte. Er rutschte ab und tummelte sich plötzlich in jenem geistigen Biotop, dem heute alle modernen Führungskräfte entsprungen zu sein scheinen, die angetreten sind, dem Kultur- und Medienbetrieb dynamische Impulse zu geben, der fabelhaften Welt des Marketing. Von dort kommen Menschen, die Worte wie Zielgruppe oder Synergieeffekt aussprechen können, ohne dabei auszusehen, als hätten sie in eine Zitrone gebissen. Sie sagen Sätze wie, leise ist das neue Laut und der Spiegel, in den sie dabei blicken, zersplittert nicht. Erstaunlicherweise. Sie sitzen in den Vorstandsetagen von Theatern, Zeitungen und Kunstvereinen, erklären den dort vereinzelt noch vorkommenden Dinosauriern, die in Ideen vernarrt sind, dass Inhalt jetzt Content heißt, wie man eine Corporate Identity entwickelt und dass man, sofern man nicht untergehen will, zur Marke werden muss. Herberts Verhältnis zu mir ist mittlerweile gespalten. Er ist vor nicht allzu langer Zeit zum Feton-Chef befördert worden und würde fast alles tun, um dem Chefredakteur zu gefallen, denn sein großes Ziel ist es, zumindest sein Stellvertreter zu werden. Dazu braucht er Verbündete und ich hätte einer sein können. Es entgeht ihm jedoch nicht, dass ich bei manchen seiner Äußerungen während der Redaktionssitzungen den Eindruck erwecke, als müsse ich gerade eine Wurzelbehandlung über mich ergehen lassen. Und er versteht nicht, warum ihn sein alter Freund mit einem Mal so viel Abneigung spüren lässt. Ich vermute, dass er sich manchmal wünscht, ich würde die Zeitung verlassen, doch der Chefredakteur ist der Ansicht ein exzellentes Feton, er spricht es immer aus wie Fauté, braucht eine gute Wissenschaftsseite. Ich nehme an, er kennt niemanden außer mir, der diese Arbeit für einen solchen Hungerlohn erledigen würde. Als kürzlich ein Artikel von mir über die zweifelhafte Beweislage der Inflationstheorie im Spektrum der Wissenschaft zitiert wurde, war es nicht einfach, seinen Gesten des Stolzes zu entrinnen. Also musste mir auch Herbert gratulieren. Meine Beziehung zu Herbert ist getragen von der Wehmut, einen gleichgesinnten Mitkämpfer verloren zu haben und dem Zorn, Zeuge seines Irrweges zu sein, hilflos zusehen zu müssen, wie er dem Moloch der Vermarktung huldigt. Warum kündigst du nicht einfach, fragte Helga oft. Ja, warum? Für mich selbst habe ich zwei Antworten. Erstens, mein Kollege kann nichts dafür, dass ich ihn nicht mag. Zweitens, alles wird sich ändern, wenn mein Buch endlich fertig ist. Helgas guter Freund Manfred, der seinen Lebensunterhalt mit populärwissenschaftlichen Büchern über Psychologie bestreitet, und ja, er beendet sie eins nach dem anderen, hatte für mein Leiden einen Namen. Prokrastination. Da ich nicht verhindern konnte, dass wir ihn öfters zum Essen zu uns nach Hause einluden, durfte er mir seine Diagnose an meinem eigenen Küchentisch servieren. Das unnötige Aufschieben von Projekten, die man sich vorgenommen hat, die ständige Unterbrechung, das sich Verzetteln, dozierte er einmal, ist weit verbreitet. Und das häufig trotz vorhandener Gelegenheiten und Fähigkeiten wie bei dir. Mir war nicht ganz klar, ob er Wikipedia zitierte oder einen seiner eigenen Psychoratgeber. Ich senkte den Kopf, aber nicht wie ein ertappter Klient, eher wie ein Stier, bevor das Gatter geöffnet wird, und umklammerte die Stoffserviette, um meine Hände von anderen, gesellschaftlich weniger akzeptierten Tätigkeiten abzuhalten. Siehst du, Helga schaute mich triumphierend an. Diese Frage fällt mir auch immer ein, wenn ich über Helga und Manfred nachdenke. Ich glaube nicht, dass sie in ihn verliebt war. In meiner Deutung war er genau das, ein Siehst-du-Freund, der immer dann herhalten musste, wenn Helga wieder einmal an meiner Therapieresistenz verzweifelte. Siehst-du-Freunde oder Freundinnen sind in Beziehungen von enormer Wichtigkeit, man kann sich nach ihren verständnisinnigen Worten zurücklehnen, den Partner schweigend betrachten und hoffen, dass der unabhängige Blick von außen einen Veränderungsprozess in Gang setzt. Solche Zeilen, würde ich schreiben, sollte ich jemals einen Ratgeber publizieren müssen, wovor mich das Schicksal bewahren möge. Am 30. Juni 1908 gegen 7.15 Uhr Ortszeit fand im sibirischen Yeniseik in der Nähe des Flusses steinige Tunguska ein Ereignis statt, das die Welt so noch nicht gesehen hatte. Augenzeugen berichteten von mehreren hellen Lichtblitzen, einem blau-weiß leuchtenden Objekt, das vom Himmel fiel, einem Sternschnuppenregen bei Tag, mehreren bis zu 14 Explosionen, die noch in 500 Kilometern Entfernung wahrgenommen werden konnten, ebenso wie gleißende Feuersäulen. Jetzt muss ich einen großen Sprung machen, weil sonst wird es zu kompliziert. Dieses Ereignis, das ich da jetzt kurz beschrieben habe, das ist das sogenannte Tunguska-Ereignis von 1908 und das ist die große Leidenschaft von meinem Ich-Erzähler. Und es ist tatsächlich so, dass die Wissenschaft auch heute noch nicht weiß, was wirklich passiert ist, weil dieser Einschlag müsste eigentlich einen gewaltigen Krater zeitigen und es gibt aber tausende Theorien, was da passiert sein könnte, aber eigentlich gibt es keinen einzigen Wissenschaftler, der wirklich bestätigen kann, was da passiert ist. Und dieses Tunguska-Rätsel ist die Leidenschaft meines Ich-Erzählers. Und es wird immer wieder darauf verwiesen, aber ich glaube so, dass man sie auskennt. Und es wird immer wieder darauf verwiesen, aber ich glaube so, dass man sie auskennt. Herbert Schiller empfing mich in seinem Büro mit einem gönnerhaften Lächeln. Er begann in feierlichem Ton. Georg, du weißt, was deine Arbeit für unsere Zeitung bedeutet. Ich sehe es jeden Monat auf dem Gehaltszettel. Herbert spielte erstaunen. Aber Georg, sag bloß nicht, dass dich der Materialismus in seine Klauen bekommen hat. Dich, den reinen Helden der Wissenschaft. Lass das, Herbert, brummte ich. Was willst du? Schlecht geschlafen heute? Aber deine Stimmung wird sich bald heben. Ich habe einen neuen Auftrag für dich. Das klingt nicht gut. Herbert ignorierte diesen Satz. Du hast sicher vom Fall Jan Koller gehört. Hatte ich nicht. Er ist letzte Woche in Linz ermordet worden, in der Nacht vor einem großen Kongress. Kriminalfälle interessieren mich nicht, sagte ich brüsk. Du wärst aber der ideale Berichterstatter. Ich benötigte einige Sekunden, bis ich begriffen hatte, was er meinte. Empört sprang ich auf. Du willst mir jetzt nicht allen Ernstes verkünden, dass ihr mich als Gerichtsreporter einsetzen wollt, nur weil der Chef zu geizig ist, mehr Personal einzustellen. Aber nicht mit mir. Beruhig dich doch, Georg. Herbert hielt mir seine offenen Handflächen entgegen. Bist du nicht ein bisschen zu alt, um hier ständig den Oberrevolutzer zu geben? Zu alt, knurrte ich. Denk an Chomsky. Nun, der arbeitet Gott sei Dank nicht in unserer Redaktion. Herberts freundliche Grübchen erschienen auf seinen Wangen. Außerdem gibt es noch gar keine Verhandlung. Ich nahm wieder Platz. Was willst du denn von mir und warum ich? Du bist unser Wissenschaftsjournalist und die mutmaßliche Täterin ist Teilchenphysikerin. Er machte eine kurze Pause, dann setzte er nach. Im CERN. Aha, damit wollte er mich also ködern. Mit der Gralsburg der Naturwissenschaftler. Schon stellte ich mir die gewaltigen Ausmaße des Atlas-Detektors vor, sah mich neben ihm stehen und zu einem Insekt schrumpfen. Doch das war nur eine Finte, ich durfte mich davon nicht beeindrucken lassen. Soll ich ein Interview mit einer Mörderin führen? Ganz genau. Herbert zog ein Kuvert aus der Schublade, öffnete es, nahm ein Foto heraus und legte es vor mich hin. Das ist sie, sagte er mit siegesgewisser Miene. Das ist sie, sagte er mit siegesgewisser Miene. Wie anmaßend. Hielt er mich für einen Mann, dessen Urteilsvermögen sich durch hübsche Larven beeinflussen ließ? Dann schaute ich mir das Porträt doch an. Länger als geplant. Terminus Aria ein, obwohl ich mindestens zehn Jahre nicht mehr in der Zauberflöte gewesen war. Das Unbewusste ist zuweilen ein Heckenschütze. Sie ist angeblich einer der begabtesten Physiker am CERN, sagte Herbert. Ihr Name ist Jelena Karpova, Russin. Ihre Familie stammt aus Krasnoyarsk. aus Krasnoyarsk. Herberts Grinsen hatte jetzt etwas Warmes, Mitleidiges. So schnappte die Falle zu und das Unheil nahm seinen Lauf. Falls es denn eines war, nennen wir es lieber das Unvorhersehbare. Herbert erhob sich und zog eine dicke Mappe aus dem Regal neben dem Fenster. Das ist alles, was wir über Sie haben. Ich möchte, dass du jede Seite davon liest. Ich betrachtete die kleinen Fältchen in seinen Augenwinkeln. Warum liegt es so viel an dem Fall? Er ist mysteriös, sagte Herbert, eine ideale Ausgangslage für eine Aufdeckergeschichte. Auch so ein Lieblingswort des Ressortchefs. Wenn die Gesetze es zugelassen hätten, würde als Berufsbezeichnung in seinem Pass Aufdecker stehen. Er träumte von den ganz großen Geschichten, in denen alles steckte, Kabale und Liebe, Betrug und Lügen und natürlich vor allem eine faszinierende, prominente Frau, die vom Cover des Futons strahlen würde. Dabei hat es in den letzten 20 Jahren gerade einmal zwei Reportagen gegeben, mit denen der Beobachter Aufsehen erregt hatte. Wenn du etwas aufdecken willst, warum machst du es nicht selbst? Erstens, weil ich keine Ahnung von Naturwissenschaft habe und zweitens, weil der Chef es so will. Dann soll er mir das selbst sagen. Er hat momentan viel um die Ohren. So, so. Und du? Bist du jetzt nur mehr sein Erfüllungsgehilfe, sein Befehlsweiterleiter? Georg, ich muss dich bitten, deinen Ton. Weit habt ihr es gebracht, unterbrach ich ihn. Du und deine Karriere. Wenigstens hocke ich nicht den ganzen Tag im Büro herum und hoffe, dass nichts geschieht. Ich versuchte, so finster wie möglich zu blicken und schwieg. Georg, begann Herbert in sanftem Ton, das hat doch keinen Sinn. Lass uns, wir erwachsene Menschen. Ja, natürlich, natürlich. Also, was hofft ihr denn herauszufinden? Über Schuld oder Unschuld entscheidet das Gericht. Aber wir können ihm helfen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Das ist doch nicht unsere Aufgabe. Herbert setzte seinen Drehstuhl in Bewegung, wie immer, wenn er kurz davor war, die Kontinanz zu verlieren. Leicht machst du es einem nicht, das musst du zugeben. Kann sein. Er stoppte die Drehbewegung und schaute mich an. Sie wurde von den Beamten des Landeskriminalamts vernommen, dann vom Haftrichter. Sie hat den Mord gestanden. Wunderbar, dann ist ja alles geklärt. Was ist daran mysteriös? Danach hat sie geschwiegen, kein Wort über ihr Motiv. Niemand kann sich erklären, warum eine unbescholtene, erfolgreiche Wissenschaftlerin einen Kollegen umbringen sollte. Einen Kollegen? Das Opfer hat viele Jahre ebenfalls am CERN gearbeitet. Vor etwa mehr als einem Jahr hat Jan Koller gekündigt und auf eigene Faust weitergeforscht. Er war also nicht einmal mehr ein Rivale für Frau Kapowa. Du meinst, sie lügt? Herbert zuckte die Achseln. Möglich. Irgendetwas stimmt nicht mit dieser Geschichte, das spüre ich. Das verhieß nichts Gutes. Wenn Herbert etwas spürte, war er nicht aufzuhalten. Sein Vertrauen in seinen eigenen Instinkt war unerschütterlich. Ich bemühte mich, Kooperationsbereitschaft zu signalisieren. Gibt es irgendwelche anderen Indizien? Jemand hat sie in der fraglichen Nacht aus Jan Kollers Hotelzimmer kommen sehen. Na bitte, dann haben wir sogar einen Zeugen. Doch es gibt auch Widersprüche, erhebliche sogar, die da wären. Die Karpova hat beim Verhör angegeben, sie hätte die Waffe von hinten ins Herz des Opfers gerammt. Wie nett. Und weiter? Die Klinge steckte in Jan Kollers Hals. Der Stich wurde ohne Zweifel von vorne geführt und traf präzise die Schlagader. Vielleicht stand sie unter Schock und kann sich nicht mehr genau erinnern. Das ist eine etwas windschiefe These, findest du nicht? Kann sein, gab ich zu. Welche Waffe wurde eigentlich verwendet? Ein Brieföffner. Ein Brieföffner? Ich musste lauthals lachen. Bei einem Verbrechen unter Physikern hätte ich etwas Originelleres erwartet. Eine Kapsel mit Antimaterie zum Beispiel. Du liest zu viel Dan Brown, mein Lieber. Ich lese keine Bestseller, zischte ich, und außerdem sind die Mengenangaben für die Antimaterie in Illuminati völlig falsch. Jetzt grinste mein Gegenüber, du weißt erstaunliche Dinge über ein Buch, das du nicht gelesen hast. Er hatte mich erwischt. Alles Allgemeinbildung, entgegnete ich. Schon eine viel geringere Masse an Antimaterie könnte bei einem Einschlag auf der Erde. Ich stockte. Herbert beugte sich nach vorn, stützte die Ellbogen auf die Tischplatte. Kann es sein, begann er langsam, dass der Nebel von Tunguska mittlerweile auch deine Intelligenz umhüllt? Etwas Unverschämtes lag mir auf der Zunge, doch ich schlug das hinunter. Gut, sagte ich, also ein Brieföffner. Was gibt es sonst noch Geheimnisvolles? Der Zeitpunkt der Tat. Die Karpova hat beim Verhör angegeben, sich nicht mehr genau zu erinnern. Zwischen 21 und 22 Uhr, sagt sie. Laut Frau Wensig ist der Tod aber erst um 23.30 Uhr eingetreten. Kann man das so genau feststellen? fragte ich. Die Gerichtsmedizinerin sagt, der Stich war so exakt, dass Koller sofort tot war. 23.30 Uhr, plus minus eine halbe Stunde. Eine sehr vergessliche Mörderin, das kann man wohl sagen. Sie behauptet in der Aufregung. Also doch ein Schock, unterbrach ich Herbert. Wann hat die Zeugin Frau Karpova gesehen? Sie kann sich nicht mehr genau erinnern. Zwischen 21 und 23 Uhr 30 schätzt sie, sie habe nicht darauf geachtet. Ein bisschen groß dieses Zeitfenster, finde ich. Und es gibt noch ein Detail. Jetzt bin ich aber gespannt. Keine Fingerabdrücke auf dem Griff. Im Ernst? Ich musste lachen und mimte den Verblüfften. Im Fernsehen tragen die Täter meistens Handschuhe. Herbert drehte sich auf seinen Sessel einmal um die eigene Achse. Dann stand er auf, hob die Mappe vom Tisch und hielt sie mir hin. Das genügt für heute, sagte er. Wir reden weiter, wenn du damit durch bist. Ich steckte das Dossier in meine Umhängetasche und verließ ohne weiteres Wort Herberts Büro. Zu Hause legte ich mich aufs Sofa, knipste die Leselampe an und vertiefte mich in das Dossier Elena Karpova. Ihre Eltern und ihr Großvater hatten das ostsibirische Krasnojarsk 1984 verlassen und waren mit ihrer damals zweijährigen Tochter Elena nach Wien gezogen. Ihr Vater Nikolai Karpov war in der Sowjetunion ein angesehener Physiker gewesen und erhielt nach dem Umzug überraschend schnell einen Lehrstuhl an der Universität Wien. Immer wieder war er als Gastprofessor nach Genf eingeladen worden. Ab 2007 bekleidete er einen hohen Posten im CERN. Er starb vor wenigen Wochen an einem Herzinfarkt im Alter von 66 Jahren. Er starb vor wenigen Wochen an einem Herzinfarkt im Alter von 66 Jahren. Ihr Katharina, die Mutter, geboren 1960, war bildende Künstlerin und hatte bereits mehrere Ausstellungen in Wiener Galerien vorzuweisen. Die Feuilletons, auch unseres übrigens, priesen sie als Erneuerin der abstrakten Malerei. Eine perfekt geglückte Integration auf der ganzen Linie. Nur wenige Misstöne. Nikolai war nachgesagt worden, er hätte gute Kontakte zum KGB, doch das waren Gerüchte. Es gab auch Anzeichen, dass er immer wieder in Konflikte mit den staatlichen Autoritäten geraten war. Einen Hinweis darauf, warum er ausgerechnet 1984, als Konstantin Czernenko an der Macht war, mit seiner Familie das Land verlassen hatte, konnte ich in den Papieren nicht finden. Im Jahr 1995 ließen sich Nikolai und ihr Katharina scheiden. Jelena war 1982 zur Welt gekommen, war also jetzt 37 Jahre alt. Sie galt als hochbegabt und hatte bereits mit 17 Jahren begonnen, technische Physik zu studieren. Sie vermied es, Lehrveranstaltungen zu besuchen, die ihr Vater hielt. Mit knapp 22 Jahren schloss sie ihr Studium mit dem Doktortitel ab. 22 Jahren schloss sie ihr Studium mit dem Doktortitel ab. Sie spezialisierte sich auf Experimentalphysik, vertiefte ihre Kontakte in die Schweiz, wobei sie stets betonte, dass ihr Vater sie nicht protegiert hatte. Als am 8. August 2008 die ersten Protonen in den Large Hadron Collider des CERN geschossen wurden, waren Nikolai und seine Tochter mit dabei. Erst 2018 verließ Nikolai das CERN und ging zurück nach Wien. Rasch stieg Jelenas Ansehen am Institut, sie veröffentlichte wichtige Aufsätze und aller Orten schwärmte man von ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten. Darüber hinaus attestierte man ihr besonders teamfähig und kommunikativ zu sein. Es dauerte nicht lange, bis sie die Karriereleiter nach oben stieg und niemand schien ihr den Erfolg zu missgönnen. Mittlerweile waren vier Bücher von ihr erschienen, die alle in der Fachwelt hitzig diskutiert worden waren und sie zu einer der meistzitierten Physikerinnen der Gegenwart gemacht hatten. Das war sie also. Jelena Kapo war jung, blitzgescheit, auf dem Weg nach oben, leidenschaftlich ihrer Berufung folgend, dazu noch Everybody's Darling. Und nun sollte sie in Linz einen Kollegen getötet haben, einen, der in Genf bei nahe Tür an Tür mit ihr gearbeitet hatte? Eine Tat ohne jegliches Motiv, ausgeführt mit einem Brieföffner. Wenn sie es denn war. Ich brauchte eine Pause. Wie zum Trotz gegen meinen Chef beschloss ich, den Rest des Tages mit meiner Obsession zu verbringen und wieder in die Nebel von Tunguska abzutauchen. Was ich mir von all dem erwartete, ich weiß es nicht. Nur aus Fassadstücken besteht die Geschichte des Lebens, es gibt keine Kohärenz, hat einmal jemand gesagt an dessen Namen, ich mich nicht erinnere. Die vom Einzelnen erfassbare Welt hat keinen dramaturgischen Bogen, sie ist ein Sammelsurium aus beiläufig erzählten Anekdoten. Was mich tröstet, ist vielleicht der Gedanke, dass meine eigene Erzählung aus ebenso vielen Bruchstücken besteht, wie der Stein und Eisenhaufen aus dem All, von dem wir nicht wissen, ob es ihn jemals gegeben hat. Nur in der Zersplitterung können wir die Fiktion der Gesamtheit erfassen oder widerlegen oder was auch immer. Komm ins Bett, das bringt doch nichts, sagte Helga, wenn ich zu lang über meinen Zetteln hockte. Was genau daran nichts brachte und in Bezug worauf, das konnte sie mir niemals erklären. Wenn ich dann endlich zu ihr kam, schlief sie schon tief. Meine Chemikerin, fest eingebettet in ihr Gefüge aus Formeln, Geborgenheit und Lebenslust. Sie hatte nie eine Ahnung, wie sehr ich sie beneidete. 5. Am folgenden Vormittag befiel mich im Büro eine Nervosität, die ich mir nicht erklären konnte. In Google Books suchte ich Jelena Kapovas erste Publikation und versuchte mit höchster Konzentration ihren Argumentationslinien zu folgen. Mit bescheidenen Ergebnissen. Spätestens bei den komplexen Formeln, die sie entwickelt hatte, stieg ich aus. In meinem Magen begann es zu rumoren. So nahm ich die Akte unter den Arm und machte mich auf den Weg in unsere Kantine. Meistens nahm ich mir zum Essen Arbeit mit, das lenkte von der Beschaffenheit der Speisen ab. Ich bestellte eine müde, an sich zusammengesunkene Lasagne und setzte mich an einen der Plastiktische. Von den Kollegen war noch niemand da. Plötzlich ging die Tür auf und Herbert trat herein. Das war ungewöhnlich. Herbert mischte sich mittags selten unter das Fußvolk, er bevorzugte ein Haubenlokal zwei Straßen weiter. Meine Alarmglocken fingen an zu läuten. Hier bist du also, sagte Herbert. Er kam auf mich zu und bemerkte mit Genugtuung, dass das Dossier Jelena Karpova neben meinem Teller lag. Geöffnet. Du bist neugierig geworden, stimmt's? Ich ließ mir Zeit mit der Antwort. Die Sache ist interessant, ohne Zweifel, aber... Du hast ein Aber. Natürlich, wie sollte es anders sein? Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich mir gegenüber. Nun sag endlich, aber was? Du hast etwas vergessen. Ach ja? Ja. Warum in alles in der Welt sollte diese Frau Interesse daran haben, mit der Presse zu sprechen? Ein guter Einwand, fand ich. Doch Herbert reagierte zu meiner Überraschung erleichtert. Eine Falte, die sich über seinem Nasenrücken gebildet hatte, glättete sich wieder. Ach das, sagte er, kein Problem. Darum kümmert sich Eva. Welche Eva? Frau Dr. Eva Mattusch, eine der berühmtesten Anwältinnen des Landes und einer der eigenwilligsten Menschen, die ich kenne, erzähl mir nicht, dass dir der Name nicht sagt. Tade nicht. Herbert verdrehte die Augen. Du solltest öfter über deinen Tellerrand blicken. Um was zu sehen? Andere Teller? Alles eine Frage der Perspektive. Wenigstens weiß ich, was ich esse. Lassen wir das. Herbert wischte sich etwas aus dem Gesicht. Unsichtbare Spinnfäden. Ich habe bereits einen Termin mit Eva vereinbart. Sie ist mir noch einen Gefallen schuldig oder zwei. Er zwinkerte mir zu. Alles in Ordnung mit dir? Herbert musste hinter meiner Stirn etwas beobachtet haben. Mit großer Konzentration schaffte ich es, meine wild gewordenen Gedanken wieder zu zähmen. Ja, warum? Fast ohne Zittern führte ich mein Glas Apfelsaft zum Mund und trank einen Schluck. Ich dachte nur, dein Gesicht war so, so erstockte. Na egal, also morgen um 15 Uhr. Was? Dein Termin mit Eva, morgen um 15 Uhr vor dem Landesgericht Linz. Ein wenig Recherche konnte nicht schaden. Manchmal ist es praktisch, dass jeder im Netz so viele Spuren hinterlässt. Außer vielleicht der Mann mit dem Karton auf dem Kopf, der Autor, dessen Gesicht fast niemand kannte. Dr. Eva Matusch war 46, hatte 3.200 Freunde auf Facebook und keine Kinder. Alle ihre Fotos sahen aus, als hätte sie einen professionellen Fotograf aufgenommen. Die meisten zeigten sie im perfekten Businesskostüm, dezent geschminkt, Souveränität ausstrahlend. Wikipedia bezeichnete sie als eine der angesehensten Juristinnen Österreichs. Da hatte Herbert also nicht übertrieben. Sie war wohl auch ein Liebling der Presse. Ich fand zahlreiche lobende Artikel und Prozessberichte. Bei der Zugfahrt nach Linz am folgenden Tag blätterte ich das Dossier noch einmal durch. Um fünf vor drei erhob ich mich und ging ein paar Schritte zum Haupteingang des Museums. Auf einer Säule entdeckte ich unter dem Hinweis Kulturdenkmal eine aufgesprühte Warhol-Banane. Mit Sunday Morning im Ohr verließ ich den Park und beschloss, Linz ab nun sympathisch zu finden. Es war exakt drei Uhr, als Frau Dr. Eva Mattusch aus dem Gebäude trat. Ich hielt mich zurück, stürzte nicht gleich auf sie los, um ja nicht den Eindruck zu erwecken, dass ich ihr Gesicht schon gegoogelt hatte. Mein Blick schweifte herum, blieb manchmal kurz an ihr hängen, schweifte weiter. Tatsächlich sah sie nicht so aus wie auf ihren Bildern im Netz. Vom Businesskostüm keine Spur. Sie trug eine nicht mehr ganz neue Jeansjacke, die Haare hatte sie sich mit einem orangefarbenen Tuch nach hinten gebunden, dessen lose Enden ihr über den Rücken fielen. Auch die weißen Turnschuhe, sicher ebenfalls keine Neuerwerbung, überraschten mich. Sie kam auf mich zu, streckte mir die Hand entgegen und sagte fröhlich, ich denke, Sie suchen mich, Georg Hollaus, nicht wahr? Ich schüttelte ihre Hand und nickte. Mit einem Mal begann sie zu lachen und fächerte sich dabei mit den Fingern Luft zu wie ein junges Mädchen. Verzeihen Sie bitte, sagte sie, nachdem der Heiterkeitsanfall abgeebbt war, aber ich habe sie mir ganz anders vorgestellt. Wie denn? Blitzschnell blickte ich nach unten und scannte meine Kleidung. Grafitfarbener Anzug, hellblaues Hemd, passende Krawatte. So ungefähr sollte man doch aussehen, wenn man eine Anwältin traf, oder? Naja, gluckste sie. Nicht so, so seriös? Warum nicht? Jetzt hatte sie sich wieder gefangen. Sie sind doch der Tunguska-Mann, oder nicht? Ich spürte, wie eine mir vertraute Wut nach oben stieg und eine sanfte Röte sich auf meine Wangen legte. Ich weiß nicht, ob mir diese Bezeichnung gefällt. Eva nahm meinen Arm und zog mich vom Eingang des Landesgerichts weg. Kommen Sie, gehen wir auf einen Kaffee, den habe ich heute nötig Wir schlenderten den Weg zurück, den ich gekommen war, querten den Taubenmarkt, folgten einer Straße, die den glamourösen Namen Promenade trug und blieben vor einem Kaffeehaus stehen, dessen Gastgarten durch eine beige Markise vor der Sonne geschützt war. Die Terrasse war voller Menschen, doch Eva entdeckte ein leeres Tischchen und schob mich darauf zu. Wir nahmen Platz und binnen Sekunden stand ein Ober neben uns. Nein, neben Eva. Er schenkte ihr sein strahlendstes Lächeln, mich würdigte er keines Blickes. Also, fragte Eva, nachdem wir bestellt hatten, wie läuft es denn so mit Tunguska? Beginnen wir doch anders, entgegnete ich. Erzählen Sie mir einfach alles, was Sie schon wissen, dann langweil ich Sie nicht. Sie schmunzelte. Na gut, viel ist es nicht. Herbert sagt, Sie hätten ein ungewöhnliches Hobby. Da war es wieder dieses Wort. Unwillkürlich schloss ich die Finger meiner linken Hand zu einer Faust. Eva sah es und reagierte sofort. Auch wenn sie es selbst lieber anders nennen würden. Eine Leidenschaft vielleicht? Die Muskeln meiner Hand lockerten sich wieder. Jedenfalls schreiben sie doch an einem Buch, nicht wahr? Den Titel finde ich wunderschön. Tunguska oder die Schönheit des Irrtums. Reden wir bitte von etwas anderem. Das Übliche war ein riesiger Erdbeerbecher, den der Obervor Eva auf den Tisch stellte. Also fangen wir an. Sie nahm den langen Eislöffel und begann genüsslich das Schlagobers Schicht für Schicht abzutragen. Sie haben sicher auch Fragen, die meine Klientin betreffen. Hunderte. Na dann, legen Sie los. Ich verstehe vieles nicht. Diese Frau, Jelena Karpova, hat doch gestanden, ihren Kollegen erstochen zu haben. So ist es. Eva schob sich eine große Erdbeere in den Mund. Und sie sind angetreten, sie zu verteidigen. Sie nickte. Aber was ist ihre Strategie? Ich meine, wenn sie sich schuldig bekennt, worauf plädieren sie? Mildernde Umstände? Es gibt viele Ungereimtheiten. Sie weigert sich strikt über ihre Motive zu sprechen. Ich habe schon mehrmals auf sie eingeredet, ihr erklärt, dass sie dem Gericht sagen muss, wenn sie erpresst wurde oder sich bedroht gefühlt hat. Doch sie schweigt. Was bleibt, sind die Widersprüche zwischen Indizien und Geständnis. sind die Widersprüche zwischen Indizien und Geständnis. Vielleicht, weil es nichts dergleichen gegeben hat, nur einen kaltblütigen Mord. Eva schnappte sich den Strohhalm und zog die letzten Tropfen Erdbeerlikör aus dem Becher. Dieser Frau traue ich nicht einmal zu, eine Ratte abzustechen. Doch aus welchem Grund sollte sie für eine Tat, die sie nicht begangen hat, freiwillig für Jahrzehnte ins Gefängnis gehen? Den Becher drehte Eva nicht um, sie schob ihn einfach von sich weg. Das genau versuche ich herauszufinden. Und welches Interesse haben Sie, mich damit hineinzuziehen? Sie kennen doch Herbert und seinen berühmten Riecher für große Geschichten. Mehr als mir lieb ist. Nun, Elena Karpova ist eine Koryphäe auf ihrem Gebiet, ein Wunderkind. Sie war bei der Entdeckung des Higgs-Teilchens dabei und ihre Publikationen werden weltweit zitiert. Und wie komme ich da ins Spiel? Herbert meint, sie sei ein ausgezeichneter Wissenschaftsredakteur. Weder der Untersuchungsrichter noch ich verstehen etwas von Karpovas Fachgebiet. Wir können gar nicht die richtigen Fragen stellen. Aber offensichtlich geht es doch nicht um die richtigen Fragen. Sie will keine Antworten geben, das ist das Problem. Sie haben natürlich recht, es ist gut möglich, dass wir gar nichts erreichen. Sag ich doch. Sie hob den Kopf und schaute mich an. Aber versuchen müssen wir es. Es ist mein Job, ihr zu helfen. Und sie sind meine letzte Option. Weshalb ausgerechnet ich? Ich habe viel versucht. Verschiedene Wege, die üblichen Methoden. Ohne Erfolg. Jetzt hege ich die Hoffnung, dass wir hinter die Wahrheit dieses Falls gelangen, wenn wir mit Jelena auf einer fachlichen Ebene in Verbindung treten können. Sie überschätzen mich. Kann schon sein. Den Versuch ist es mir wert. Warum will sie überhaupt mit mir reden? Das wissen wir ja noch nicht. Ich verstand nicht. Warum wissen wir? Ich habe sie noch gar nicht gefragt. Ich brauche natürlich ihre Einwilligung. Sie haben sie noch nicht? Ich dachte, sie hat schon zugestimmt. Nein, ich wollte zuerst Sie kennenlernen. Ich begriff nur langsam wie meistens. Dann war unser Gespräch also eine Art Prüfung. Wenn Sie so wollen und ob es Ihnen gefällt oder nicht, Sie haben bestanden. Und wenn der Prüfling gar nicht bestehen will, Eva zupfte an ihrem Haarband herum. Kommen Sie, Sie müssen doch zumindest ein bisschen neugierig sein, sonst würden Sie gar nicht hier sitzen. Jetzt machen wir noch einmal einen großen Sprung. Die Jelena sagt einem Treffen zu und es kommt zur ersten Begegnung. Am Bahnhof Linz holte mich Eva mit dem Auto ab. Auf dem Weg zum Landesgericht spürte ich ihre Nervosität. Sie fuhr unkonzentriert, rammte einmal bei nahe einen Radfahrer, der uns Flüche nachschickte. Sie schien nichts davon mitzubekommen. Vor dem Haupteingang blieb sie stehen und schaute mich von der Seite an. Herr Hollaus, ich wünsche Ihnen und Jelena viel Glück. Eva führte mich in einen Raum, in dem sechs Menschen in Kojen mit gläsernen Seitenwänden saßen. Es gab acht solche Kojen, in zwei davon standen leere Stühle. Der in der Mitte ist für Sie, sagte Eva. Nehmen Sie bitte Platz, Elena wird gleich kommen. Damit schlüpfte sie aus der Tür und ließ mich allein. Ich nickte den anderen Besuchern zu und murmelte Begrüßungsworte, doch niemand nahm Notiz von mir. Der Raum war an seiner Längsseite durch eine bis zur Decke reichende Glaswand geteilt. Auf der einen Seite saßen die Besucher, ihnen gegenüber die Insassen. Alle hielten Telefonhörer in der Hand. Ich bewegte mich nicht und starrte aus dem Fenster, sah die furchteinflößende Stacheldrahtumzäunung. Ich kämpfte gegen einen Fluchtreflex, versuchte mich zu beruhigen und setzte mich auf den Platz in der Mitte des Raumes. Vor mir die Glaswand und ein leerer Stuhl. In der Ecke des Zimmers für die Häftlinge saß ein Beamter und löste ein Kreuzworträtsel. Ich hatte das Gefühl, mich in einer singulären Zone zu befinden, in der die Zeit nicht mehr voranschritt. Da öffnete sich die Tür und eine Frau schwebte herein. Ja, schweben ist der richtige Ausdruck. Ich erkannte sie nicht sofort, sie trug ihre weißblonden Haare jetzt kurz geschnitten. Sie war geschminkt, hatte die Augenbrauen und die Leder mit einem Kajalstift nachgezogen. Die Wimperntusche ließ ihre grünen Augen riesig erscheinen. Sie sah, dachte ich in diesem Moment, exakt aus wie Jean Seaburg in Außeratem. Bis auf die Augenfarbe vielleicht, das vermochte ich nicht mit Sicherheit zu sagen. Schließlich war Außeratem ein Schwarz-Weiß-Film und ich konnte mich nicht entzinnen, je ein Farbfoto von Gene Seaburg gesehen zu haben. Wobei Grün ja auch so eine Allerweltsbezeichnung ist, sagen wir so. Vor Jahrzehnten unternahm ich eine Reise in die Türkei und verbrachte viele Stunden im Topkapi-Museum. Angeregt vom Film mit Melina Mercury suchte ich zuerst den berühmten Dolch. Er lag in einer Glasvitrine im hinteren Teil der Schatzkammer. Sein Griff wird von drei riesigen Smaragden gebildet. Im künstlichen Licht schienen sie ihre Farben ständig zu verändern, von hell zu dunkel und wieder zurück. Es sah aus, als würden die Steine atmen. Dieses Grün meine ich. Der Dolch wäre zudem als Mordwaffe für diese Frau viel passender gewesen als ein Brieföffner. Dankeschön. Applaus Vielen Dank. doch zur Sicherheit Rücksprache halten, telefonisch in Genf, ob da jetzt alles ganz in Ordnung war. Wir können kurz durchschnaufen, in der Zwischenzeit das ein bisschen einsickern lassen. Es bestünde auch schon die Gelegenheit jetzt, Herbert würde sagen, das war bis jetzt gratis und jetzt müssen wir den Premium-Content freischalten. Wer sich das Buch nachher signieren lassen will vom Autor, könnte es eventuell jetzt schon in der Pause kurz erwerben, dann ist es nachher weniger Hektik. Oder man genießt einfach den tollen Blick in den Raum hinein. Ganz eine schöne Ausstellung, ganz eine wunderbare Raumarchitektur. Ich hoffe, das Gespräch wird nicht zu lang. Zwei Bücher sind wirklich zu wenig, muss ich sagen. Es war jetzt schon super, es wird noch besser, das Buch, dann im CERN in Genf. super, es wird noch besser das Buch, dann im CERN in Genf. Da steigert sich das, dann kommen Physiker, über die wir reden, das sind ganz eigene Charaktere und Gestalten teilweise. Da kommt er schon wieder. Das war ein kurzes Gespräch. War alles in Ordnung, oder? Alles in Ordnung. Keine Beistandungen? Alles in Ordnung. Sehr gut. Ich habe schon versucht, den Buchverkauf ein bisschen vorab zu kurbeln. Ja, wo fangen wir an? Fangen wir am besten mit Georg, glaube ich, an. Das ist für mich und auch vielleicht für die meisten Besucher, wenn sie schon das eine oder andere Buch von dir gelesen haben, so ein typischer Wilfried Steiner Held, Schrägstrich Anti-Held. Mann in den besten Jahren oder auch vielleicht schon kurz danach. Ein Einzelgänger, könnte man sagen. Zumindest von der Lebensgefährtin verlassen worden, auch im Job keiner, der so Seilschaften oder Netzwerke, oder wie man es jetzt nennt, pflegt. Er ist für die Wissenschaft zuständig in einer Zeitung, sollte also ein Mann der Zahlen und Fakten sein, aber eigentlich ist er ein Romantiker, ein Schwärmer, nicht? Ja, ja, natürlich, natürlich. Und das zieht sich natürlich durch alle meine Helden ein bisschen durch, dass sie romantische Veranlagungen haben. Aber er ist natürlich auch jemand, der sich rasend begeistern kann für sein Metier und für die Physik. Und das ist schon so, dieses CERN, das ist für ihn wirklich die Gralsburg der Wissenschaft. Und das ist schon das, was ihn letztendlich dazu bringt, dass er einen Auftrag annimmt, den er eigentlich normalerweise nicht annehmen würde. Vertrauen Sie in Obsessionen, heißt es ja im Buch. Genau, da bin ich, soweit bin ich gerade nicht mehr gekommen. Das ist ein schöner Satz, darum wollte ich es jetzt nur sagen. Vertrauen Sie in Obsessionen. Auf der einen Seite glaube ich, wenn man von solchen Fachgebieten fasziniert ist, das kann alles entdeckt werden. In der Mathematik gibt es dann auch so etwas wie die Schönheit einer Formel. Es gibt aber auch eigene Schönheit, wenn eine Formel nicht stimmt. Ich glaube, im Buch gibt es ein, zwei Stellen, wo eine Messung aus einem gewissen Grund, weil jemand falsch geschaut hat oder irgendwas falsch eingestellt war, nicht ganz stimmt. Das hat auch eine eigene Schönheit. Das hat auch eine eigene Schönheit. Das hat auch eine eigene Schönheit und auch eine eigene Komik. Es gab eine Messung, die gemacht worden ist in Italien, von Italien aus, und da ging es um die Geschwindigkeit eines Neutrinos. Und die Messungen haben ergeben, dass dieses Neutrino schneller unterwegs war als die Lichtgeschwindigkeit. Wenn die Messung gestimmt hätte, hätte das bedeutet, dass das gesamte Gedankengebäude von Einstein von der Relativitätstheorie zerbrochen wäre. Aber die Italiener haben sich einfach vermessen. Und das fand ich zum Beispiel eine wunderschöne Szene. Da gibt es dann so Cartoons, wo man sieht die Italiener mit dem Chianti und sagen, boah, das war aber schnell, das war riesengeschnell. Und das ging so drei Tage um die Welt, dass das Einsteins Relativitätstheorie nicht standhält, aber es war nur sehr kurz. Das ist die Schönheit des Irrtums, das immer wieder kommt in dem Roman. die Aktivitätstheorie nicht standhält, aber es war nur sehr kurz. Das ist die Schönheit des Irrtums, das immer wieder kommt in dem Roman. Dieses Herzensprojekt, an dem er arbeitet, das ist ja so eine Schwärmerei, die darf ja eigentlich gar nicht an ein Ende kommen, oder? Dann wäre sie vorbei. Sozusagen, ja. Dann kann man sowas gar nicht abschließen. Sozusagen. Du als Autor bist du das, du bist das fast. Wie geht es dir damit? Mir ist ja das Auto genauso, ähnlich wie beim Becken oder so, dass während ich das geschrieben habe, wenn ich plötzlich draufgekommen war, dass die das zum Guska-Rätsel lösen, dann geht das nicht mehr. Dann kann ich das nicht mehr verwenden. Das Wichtige ist auch, dass es in der richtigen Physik, in der Fachwelt, immer noch als ungelöst gilt. Aber das andere stimmt natürlich auch. Also ich darf das nicht offen lassen, sondern ich muss meine Handlungsstränge schon so zu Ende führen, dass man dann das Gefühl hat, okay, jetzt greift alles ineinander und findet ein gutes Ende. Oder ein, ja, sagen wir mal, ein gutes Ende. Ist es in diesem Fall vielleicht schwieriger gefallen als sonst, wenn man vielleicht unseren fünften oder sechsten CERN-Besuch anhängen hätte können? Naja, ich freue mich jetzt recht, dass man wahrscheinlich im April oder im Mai wird es einmal zumindest eine Online-Lesung im CERN geben. Live wird es erst dann, glaube ich, ich möglich sein dass sie wieder hinfahren dann wirklich gar ohne besiegt ist weil das super genau und das ist ja die wissenschaftler die brauchen das nicht aber es wird das wird eine es wird eine online-Lesung geben, die mache ich mir ganz normal einfach von Linz aus. Das ist ja sehr spannend. Linz ist ja neben Wien und Genf Handlungsort, wichtiger Handlungsort. Das Großartige ist, es geht um bahnbrechende Entdeckungen, ein Wettlauf quasi darum, man kann ein bisschen was verraten, wer diese Entdeckung macht. Es gibt eine Konferenz, wo das alles präsentiert werden soll und wo dann auch dieser Mord geschieht. Und das findet alles ausgerechnet in Linz statt? Ja, das habe ich einfach behauptet. Das ist Kepler-Symposium. Wo sonst? Wo sonst, genau. Wobei man sagen muss, diese Physikerinnen und Physiker, die werden im Buch doch auch ein bisschen glamourös geschildert. Also gerade die Männer, relativ eitel, da hast du einen Spaß daraus gemacht, ich glaube jeder Physiker, der im Buch auftritt, hat entweder eine besonders coole oder irgendwie besonders gewagte oder geckenhafte Frisur erträgt, oder eine Rokesen oder irgendwie gefärbt. Schauen die wirklich so aus? Die sind alle natürlich, nein. Ich wollte sie besonders glamourös haben. Ich wollte, dass meine Physiker meine Popstars werden. In Wirklichkeit schauen sie nicht so aus. Muss man sagen. Aber das hat das Faschlektorat nicht beanstandet. Das hat auch meine Physikerin nicht beanstandet, das muss ich sagen. Weil es gibt eine Physikerin in dem Buch, die sehr ähnlich ist an einer tatsächlichen Physikerin, die mir ja sehr geholfen hat bei der Recherche. Es geht im Buch, wie eigentlich in allen deinen Büchern, auch um Poesie und um Literatur. Das kommt dann lustigerweise ausgerechnet über die taffe Juristin ins Spiel, die ja da so ein geheimes Faible hegt. Letztlich, wir haben noch gar nicht darüber geredet, warum das Buch so heißt, wie es heißt, das kommt ja erst relativ spät im Roman zur Sprache. Genau. Weil sie sagt ja auch, ich habe übrigens auch ein Hobby, sagt sie, und auch sie würde es lieber eine Obsession nennen. Es ist eine interessante Tatsache, dass ungefähr 10 Kilometer Luftlinie entfernt, wo das CERN ist, Luftlinie entfernt, wo das CERN ist, befindet sich die Villa Diodati und in der Villa Diodati ist 200 Jahre vorher die junge Mary Shelley gesessen und hat den Anfang von Frankenstein geschrieben. Das heißt, es gibt also die Nähe zwischen dem Ort, wo das vielleicht bedeutendste Buch über die Hybris der Physik geschrieben worden ist und dort, wo die Hybris der Physik geschrieben worden ist und dort, wo die Hybris der Physik für Kritiker passiert. Und das hat mich sehr fasziniert und deswegen war sozusagen die Eva diejenige, die dann als ihre Leidenschaft Mary Shelley hat und die Entstehungsgeschichte von Frankenstein. Und Frankenstein ist ja eigentlich, also das sogenannte Monster von Frankenstein ist ja auch deswegen ein schönes Ungeheuer, weil es ja am Anfang ein absolut guter Mensch ist, also ein gutes Wesen ist. Es hilft einer an der Armut dahin, wegen der dirrenden Familie, es lernt die Sprache, es will unterstützen. Erst als es sozusagen immer wieder schlecht behandelt wird, verändert sich der Charakter. Also es ist auch ein schönes Ungeheuer. Das ist auch das Schöne an deinen Romanen nebenbei, nur eingestreut, man hat dann immer wieder Lektürempfehlungen, das könnte man wiederlesen oder beim Landauers aus, das könnte man sich jetzt raussuchen, oder man muss dann etwas nachschreiben, zum Beispiel, ich weiß nicht, ob du das, die Tochter von Lord Byron, diese, Ada Lovelace, das ist die eigentlich berühmte, quasi Computerpionierin, Computerpionierin, genau, dass sie zumindest heute gehandelt wird, da läuft sehr viel zusammen. Das sind ja so Entdeckungen, wenn man recherchiert, das sind einfach so Volltreffer. Wenn man gar nichts dazu macht, einfach plötzlich entdeckt man, dass die Tochter von Lord Byron ohne die Tochter von Lord Byron wahrscheinlich das Zähren gar nicht gegeben hat. Das freut einen dann, als Recherchierende. Darum spielt auch der Zufall eine gewisse Rolle im Roman. Über die Häufung von Zufällen. Genau. Was wir auch noch besprechen müssen, das muss das Publikum jetzt einfach durch, wir beide sind fanatische Leser des amerikanischen Autors Thomas Pynchon, den auch dieses Tunguska-Ereignis in einem Roman sehr prominent beschäftigt hat. Der kommt relativ früh im Roman, schon mal kurz, wird darauf angespielt, ohne dass er namentlich noch genannt worden wäre. Und am Schluss hat er dann quasi einen fast leibhaftigen Auftritt, wie damals bei den Simpsons mit Sackerl über dem Kopf. Mit Sackerl über dem Kopf, genau. Also am Anfang wird das ja mal kurz gesagt, dass er verschiedene Ordner hat, der Georg, wo er diese Sachen sammelt, und einer der dicksten Ordner ist der, wo hinten drauf ist, der Mann, dessen Gesicht niemand kennt, der mit der Schachtel auf dem Kopf. Und es ist ja so, dass nur sehr wenige Leute wirklich wissen, wie Thomas Pynchon ausschaut. Und er ist natürlich einer meiner absoluten Lieblingsautoren. Und gegen den Tag kommt ja das Tunguska-Ereignis prominent vor. Und die so ziemlich irrwitzigste Theorie. Und die irrwitzigste Theorie, ja, dass nämlich der Tesla beim Versuch, große Datenmengen zu übertragen, dieses Tunguska-Ereignis ausgelöst hat. Weil er hat dadurch so viel Energie geschickt über den Globus, dass diese große Zerstörung angerichtet worden ist und trotzdem gab es aber keinen Einschlag. Das heißt, es gibt keinen Krater. Und so ist es ja, es gibt keinen Krater. Und Pinschens Theorie ist eben, dass sozusagen der Tesla das mit seinen Strahlungstransportationsversuchen irgendwie bewirkt hat. Das ist genauso plausibel wie die schöne Geschichte von den Außerirdischen, die gerade noch den Meteoriten abgeschossen haben, bevor er eingeschlagen ist. Letztlich geht es in den Gesprächen mit den Physikern ja dann eh oft auch um Plausibilität, weil vieles können sie noch nicht erklären oder beweisen, aber manches erscheint zumindest plausibel. Genau, genau. Das war ja bei mir so, dass ich, es gibt natürlich einen normalen Kriminalfall, aber es gibt natürlich einen Physikkriminalfall, der viel wichtiger ist. Also was haben die da entdeckt und wieso ist das gefährlich? Und da habe ich eigentlich das Gefühl gehabt, dass die Plausibilität natürlich wichtig ist und dass aber sozusagen auch eine ewige Rivalität gibt zwischen den Experimentalphysikern. Also die sagen, das und das und das, diese These stelle ich auf, und dann müsste ich aber das und das finden. Also das Auffinden des Higgs-Teilchens, das wurde 50 Jahre vorher vom Herrn Higgs vorausgesagt, und dann haben sie es gefunden. Während bei den theoretischen Physikern es oft so ist, dass sich zwar Rechnungen ausgehen, Bei den theoretischen Physikern ist es oft so, dass sich zwar Rechnungen ausgehen, aber das, was daraus folgert, aus dieser Rechnung, was ist, was man sich im realen Leben nicht vorstellen kann und was weder falsifizierbar noch verifizierbar ist. Also die gängige Strengtheorie geht davon aus, dass es neun Dimensionen gibt. Das kann natürlich kein Mensch beweisen. Und dann gibt es noch eine Frau in der Mitte, die da eine wichtige Rolle spielt, die Frau Randall, die hat eine Theorie, die nahe dran ist an der String-Theorie, aber die sozusagen mit einer zusätzlichen Dimension auskommen würde. Und da war sogar eine Zeit lang davon die Rede, dass man das sogar am CERN eventuell finden könnte. Es müsste also eine Art von Energieverlust nach einem CERN-Experiment stattfinden. Ist aber die Superstring-Theorie ist mittlerweile glaube ich, ist etwas aus dem Spiel. Auf welcher Seite bist du quasi Fan oder Anhänger? Ich beobachte es mit großem Vergnügen von außen, habe aber schon natürlich ein Faible für diese abstrusen Theorien, weil das macht dann einfach Spaß. Ich glaube sie nicht, ich glaube eher an das, was die Experimentalphysiker herausgefunden haben, aber als Schriftsteller ist das natürlich super, diese wilden Theorien. Die Liebe ist schon angeklungen. Es ist jeder deiner Romane auch ein Liebesroman. Diesmal sind es sogar zwei Frauen, die um diesen Mann, der sich da gar nicht so wirklich sieht in dieser Rolle, Polen wäre zu viel gesagt, aber mit ihm ein bisschen spielen und necken. Liebes Roman ist nichts Neues. Du hast schon Krimi erwähnt, du näherst dich in Teilen hier schon, deine Verhältnisse relativ weit dem Krimi an. Gibt es da eine Grenze, die du nicht überschreiten würdest? Ja, schon, glaube ich. Es war vielleicht so ein Gedanke, das war nämlich wirklich auf dieses Feldbegebe, auf dieses Physikfeld, was ja nicht unbedingt immer so leicht zugänglich ist, dann muss ich sozusagen ein Gegenangebot machen und sage, okay, es geht zwar um Physik, aber dafür kriegt es einen Mord. So. Aber da habe ich lange mit mir gerungen eigentlich. Also fairer Deal und es funktioniert, also ich finde, es ist überhaupt nicht anröchig. Wenn du das sagst, dann das beruhigt mich. Dann trinke ich einen Schluck Bier, wenn du das sagst. Ja. Du bist ja eigentlich ein, was deine Themen betrifft, die wechseln immer wieder, aber wie du deine Romane baust und konstruierst, sehr sorgfältig, sehr steht in deiner Arbeit. Du bist nur in einer Hinsicht, das Thema war auch schon öfters besprochen, ein sehr unsteter Autor. Das ist jetzt dein fünfter Roman beim fünften Verlag. Es fällt dir offenbar nicht schwer, Verlage zu finden für deine Bücher, aber ist es so schwer, einen guten Verlag zu finden, bei dem man bleiben will? Nein, ich kann nur sagen, ich bin jetzt wirklich sehr froh, bei diesem Verlag zu sein, bei dem ich jetzt gelandet bin, lieber Arno. Das ist mir eine Freude und Ehre, bei euch zu sein. Und ich habe eigentlich für diese ganzen Verlagswechsel, ich habe nie etwas dafür können. Das waren immer blöde Umstände, oder jemand ist gegangen, oder hat gekündigt, und es war immer irgendwas, wo ich nichts dafür können habe. Also du musst jetzt bleiben, und du kündigst jetzt nicht, weil du kannst dich nicht kündigen, weil du bist der Chef. Aber es war nie meine Schuld, lustigerweise. kündigst jetzt nicht, weil du kannst dich nicht kündigen, weil du bist der Chef, aber es ist, ja, es war nie meine Schuld, lustigerweise. Also von außen schaut es halt irgendwie komisch aus, aber es ist der Wechsel, einmal wechselt der Lektor, glaube ich, und einmal ist es wieder sowas. Beim Heimhund zum Beispiel war es, das Letzte ist ja bei Heimhund erschienen, und da hat mir der Lektor, der Georg Hasibeder, hat mich mit drei Büchern zu Hause geholt. Er hat gesagt, das Neue machen wir als Spitzentitel, Begegnungsfensternis wie das Taschenbuch und die anderen Anatomie der Träume machen sie als E-Book. Das war endlich zu Hause. Und dann hat er drei Monate später gekündigt. Weil es einfach Unvereinbarkeit war. Ganz genau hat er mir nicht gesagt warum, aber auf jeden Fall hat er gekündigt und ich bin jetzt sozusagen von diesem Trainer eingekauft worden und dann kommt aber ein neuer Trainer, der das nochmal abwickelt und eigentlich, der nicht mehr dafür brennt. Wie im Spitzensport. Genau. Aber man muss jetzt nicht in der Vergangenheit irgendwie graben, sondern es ist ein gutes Ende, jetzt Spitzentitel bei Otto Müller. Das ist, bin ich restlos zufrieden. Ich eigentlich auch. Und dann? Würde ich sagen, vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Wirfels Steiner signiert gerne noch Bücher, am besten am besten gleich da, genau. Er bleibt sitzen. Danke für die Aufmerksamkeit und schönen Abend noch. Applaus