Die Geschichte der Gedenken Es ist eine Familiengeschichte, eine fiktive Geschichte über drei Generationen. Wir lesen unten jetzt Szenen aus diesem Buch. Im Zentrum dieser Erzählung steht Franz K., wahrscheinlich geboren 1930. Er hat in seiner Kindheit in der Nazi-Herrschaft viele seelische Schläge erleiden müssen, die er sein Leben lang zur Last getragen hat. Franz wächst auf in einer Wirtshaus- und Bauernfamilie mit älteren, wehrpflichtigen Brüdern und einer jüngeren Schwester. Der Vater dominiert das Denken und Reden in der Familie und im Dorf und so erlebt Franzi auch seinen Vater. Der Stolz des Vaters ist dessen Kraft. Er gibt vor, sein Wille regiert die Welt. Warum ist das für mich persönlich? Ich war in der 4. Wir haben einen Geschichtslehrer gehabt, der hat mit uns den Nationalsozialismus durchgenommen. Das war noch nicht unbedingt selbstverständlich damals. Der ist mit uns nach Mauthausen gefahren, das war schon gar nicht selbstverständlich. Da habe ich das erste Mal von der Hasenjagd gehört, von dem, was bei uns vor der Haustüre passiert ist. Ich habe es nicht gleich begriffen, aber irgendwann war mir klar, dass die Menschen, die da gelebt haben, Aber irgendwann war mir klar, dass die Menschen, die da gelebt haben, bei uns oben daheim, in und um Mauthausen, überall dort, wo Verbrechen geschehen sind, dass das dieselben waren, die gewusst haben, was da passiert, die weggeschaut haben oder mich gemacht haben. Ich kann dir nicht sagen, was das mit mir gemacht hat hier im waldheim jahr 1986 gefragt warum er seinen vater franz einen spiegel seiner nazigeschichte vorhält obwohl er doch spüren müsste dass sein vater seiner vergangenheit offenkundig ausweicht sie haben spuren hinterlassen die ewig wiederkehrende Erinnerung des Franz. Der altgewordene Franz lebt in den Jahren um 2016 allein auf seinem Bauernhof, wird besucht und betreut von seinen Kindern und Enkeln. In seiner Einsamkeit kommen ihm Erinnerungen hoch. Träume, Albträume. An Februartagen kommen ihm diese Erinnerungen. Sie sind zu uns gekommen. Sie wollten den Vater holen, dass er mitmacht, weil er ja Jäger war, weil er sich damit ausgekannt hat. Der Vater hat aber nicht aufkönnen. Sie wollten mich, den Franzi mitnehmen. Seid narrisch, hat die Mutter gesagt. Verschwindet vom Hof. Die Mutter erzählt dem Vater, was los ist. Daraufhin holt der Vater sein Gewehr. Du kommst mit, hat er zu mir, Franzi, gesagt. Und wenn der Vater was gesagt hat, hat es keine Widerrede gegeben. Also bin ich mit. Wir sind über den Baderberg gegangen, unter den Bäumen, am Straßenrand sind die Toten gelegen. Wir sind weiter in den Wald, der damals noch uns gehört hat. Der Vater ist so schnell gegangen, dass ich kaum nachgekommen bin. Und dann ist da ein Flüchtender gestanden, im dünnen Gewand und halb erfroren, barfuß. Er hat etwas gesagt, das habe ich nicht verstanden. Der Vater hat auf ihn angelegt, er hat geschossen. Der Mann ist in den Schnee gefallen, er war tot. Mein Vater, dein Großvater, ist ein Mörder. Ich war dabei. Ich habe es gewusst. Ich habe nie etwas gesagt. Mörder, ich war dabei, ich habe es gewusst, ich habe nie was gesagt. Das ist uns eine besondere Freude, dass wir Sie auch heute bei dieser Gedenkfeier begrüßen können. Dieses Buch hat uns von Anfang an sehr betreut. Es ist eine Geschichte, die genauso bei uns und an vielen anderen Orten sein hätte können. Wir freuen uns, dass wir auch mit Frau Schmidauer Fragen zu ihrem Buch reden können. Das Mahnmal, auch beim Eidnars Wort, hat eine sehr markante Bildsprache. Es sind zwei mächtige Stahltafeln, die in die Erde gerannt sind. Der Künstler Christoph Raffezeler hat das Objekt genannt, in die Erde gedrückt. Und es erläutert dazu, dass eine schwere Last entsorgt werden soll oder sollte. Das Gras des Vergessens soll darüber wachsen und man soll praktisch nicht mehr bemerken, was da passiert ist. Aber wie man weiß, so eine Last wird wieder entdeckt. Es stellen sich Fragen, warum ist dieser Fleck Wiese so, wie er ist? Warum ist das Denkmal so, wie es ist? Und Ihr Buch, Fancy, haben viele bei uns gekauft und gelesen. Ist das für Sie auch so ein Werk des Grabens und des Fragens? Ich glaube, schriftstellerische Arbeit ist immer eine archäologische. Also man gräbt eigentlich immer, also ich gehe gerne in die Vergangenheit zurück und man muss eine Schicht nach der anderen entfernen, habe ich das Gefühl, beim Schreiben, also immer tiefer graben, bis man zu dem Punkt kommt, wo es weh tut, wo man auch als Schreibende getroffen ist. Und ich denke, dass das Thema Nationalsozialismus noch lang nicht aufgearbeitet ist. Also ich habe das Gefühl, dass man in jeder Gemeinde kaum dreht man einen Stein um oder nimmt einen Grassoden weg und schaut, was darunter ist, würden sehr, sehr viele Geschichten auftauchen, die noch nicht besprochen sind und die an die Oberfläche kommen sollten, sowohl was die Täterseite als auch was die Opferseite natürlich betrifft. Und ich habe bewusst einen Buben gewählt, zwölf Jahre zurzeit, also gegen Ende des Krieges ist der Franz zwölf Jahre, 12, 13. Er ist kein Täter, empfindet aber trotzdem große Schuld und auch das ist möglich, dass man über so eine Figur Tätergeschichten und Opfergeschichten erzählt. Das hat sich herausgestellt, dass das mein Anliegen war. Aber verstecken ist natürlich gar nichts. Also das sollten wir nach mehr als 70 Jahren schon wissen, dass man über die Dinge reden muss, weil sich sonst immer irgendetwas vorträgt und irgendwann ganz schlecht an die Oberfläche steigt. Ja, auch die zweite Stelle, wo wir heute hingehen werden, ist der Gedenkstein vom Diakoniewerk, der auch eine sehr markante Bildsprache hat. Das ist nämlich ein exakt geometrischer Würfel. Bei dem Würfel ist aber eine Stelle abgeschaut worden oder es gibt sozusagen eine Wunde an diesem Würfel. Und ich weiß ja, dass Sie in Ihrem Buch auch wieder auf dieses Thema Wunden eingehen. Was sind denn so Stellen, wo Sie sagen, das ist besonders markant oder das hat mich besonders auch getroffen und deswegen habe ich das aufgezeigt? Also, wenn man beginnt zu schreiben, ich weiß dann noch nicht, wo es hingeht. Aber ich habe gewusst, es geht um diesen Buben und der muss etwas Schlimmes erlebt haben. Das ist die Ursprungsahnung von Wunde gewesen. Und ich denke, dass er und in der Folge seine Vaters, der dann so kommunikationsunfähig ist, der keine Empathie zeigen kann, der alle Gefühle in sich einsperrt, das trifft seine Tochter und noch in der Enkelin, in Astrid, taucht es auf, obwohl erkennbar eigentlich nicht wirklich ein Zusammenhang mit der Nazizeit zu sehen ist. Die schlimmste Wunde ist natürlich die Elphi. Natürlich hat mich das auch am meisten getroffen, als ich bei der Waltraud Häupl im Anhang die vielen, vielen Namen gelesen habe, Kinder und Jugendlichen, die in Hartheim und Niedernhardt ermordet worden sind. Also wenn man so liest, eineinhalb Jahre, drei Monate, dann verstehe ich auch nicht, warum irgendjemand sagen kann, darüber sollten wir nicht mehr sprechen. Weil das ist definitiv ein Auftrag, dass man gerade weil es so viele Opfer gab, darf man nicht so tun, als hätte es das nie gegeben oder als wäre das jetzt erledigt. Alle diese ermordeten Menschen hätten vielleicht Kinder gehabt, hätten eigene Familien gegründet. Das heißt, man nicht nur die Kinder und Jugendlichen und Erwachsene ermordet, man hat auch deren Kinder und deren Enkelkinder sozusagen ihnen das Leben nicht ermöglicht, sie mitermordet. Und das ist wohl die schlimmste Wunde, die Österreich immer noch nicht wirklich anschaut, denke ich. Schon offiziell schon, wahrscheinlich immer mal wieder, aber ich glaube, dass es für die Familien von ermordeten, in der Nazizeit ermordeten, ganz schwer ist, darüber zu sprechen. Und es täte natürlich den Familien und auch allen anderen gut, wenn man darüber sprechen könnte. In Ihrem Buch wurde dargestellt, wie aus schrecklichem Erlebten Schuldgefühle über Generationen, das weiß man ja mittlerweile, dass so schrecklich Erlebtes bis in die dritte Generation mindestens wirkt, dass das einfach wie ein dunkles Familiengeheimnis lastet und ganz viele Menschen wissen einfach nicht, wo diese Gefühle herkommen. Und Sie haben es eh schon angesprochen, ich denke schon, dass einfach aktives Erinnern von so seelischen Lasten befreien kann. In jeglicher Lebenslage empfehlen Menschen, wenn sie seelisch an etwas leiden, dass man Therapie sucht, dass man Unterstützung sucht. Und es ist auch so, dass, wie Sie sagen, wenn man nicht weiß, woher kommt das Düstere, und dann erfährt man zum Beispiel, es gibt ja Erzählungen von Menschen, die erfahren haben, aha, meine Schwester ist in Wien ermordet worden, ist in Hartheim ermordet worden und plötzlich wird Menschen klar, dass das, was mit ihrer Familie zu tun hat, obwohl nie darüber gesprochen wurde, also Verschweigen erzeugt erschwerende Wunden und Wundeneitern und Wunden vergiften. Und ich glaube, es gibt keine andere Möglichkeit, als dass man über die Dingeen, die Republik, Gemeinden, Familien sollten das Gespräch suchen oder von offizieller Seite sollte das Gespräch angeboten werden und sollte Hilfe und Unterstützung angeboten werden, auch wenn das schon so lange her ist. Weil für die Betroffenen ist es nicht vorbei. Da denke ich, ist eine Verantwortung, die geht über individuelle Verantwortung hinaus. you