Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf Sie ganz herzlich heute im Stifterhaus begrüßen. Uns erwarten heute zwei Buchpräsentationen. Zum einen wird Funny oder das Weiße Land von Beatrix Kramlowski vorgestellt, das 2020 im Verlag Hansa Blau erschienen ist. Und zum anderen der Roman Fancy von Elisabeth Schmiedauer, der 2021 im Pikus Verlag erschienen ist. Man muss sogar ein bisschen aufpassen mit Fancy und Funny, dass man da nichts durcheinander bringt. Beide Autorinnen haben wir heute zu Gast. Das freut uns sehr besonders. Bitte heißen Sie mit mir willkommen Beatrix Gramlowski und Elisabeth Schmiedauer. Beide Autorinnen haben gemeint, dass sie in Oberösterreich geboren sind. Beatrix Kramlowski in Steyr, Elisabeth Schmiedauer sogar hier in Linz. Wir konnten leider beide nicht hier halten und sie sind uns beide davongelaufen. Weswegen, das können Sie vielleicht heute noch etwas ausführen im Gespräch. Beatrix Kramlowski lebt mittlerweile in Biesernberg, Niederösterreich und ist dort als Schriftstellerin und bildende Künstlerin tätig. Elisabeth Schmiedauer ist Lehrerin in Wien und ist auch, schwieriges Wort, Improvisationsschauspielerin am Theater. Es freut uns ganz besonders, dass wir diesen Abend heute ausrichten können und vor allem Funny oder das Weiße Land präsentieren können, denn dieses Buch ist ja wie gesagt schon 2020 erschienen und die Präsentation wurde immer wieder verschoben aufgrund der Corona-Regeln und Lockdowns und so weiter. Das gab uns aber Zeit oder gab zuerst einmal Elisabeth Schmiedauer Zeit, ihren Roman fertig zu schreiben und dem Pikus Verlag diesen zu drucken und dem Stifterhaus gab es Zeit, diese Veranstaltung mit diesen beiden schönen Büchern zu planen, die ja beide irgendwo von der Klammer Krieg umschlossen werden, auch wenn es natürlich keine Kriegsromane sind. Moderieren wird den Thema des heutigen, ah, moderieren wird den heutigen Abend Frau Margrethe Affenzeller. Sie ahnen es, auch eine Oberösterreicherin, geboren in Freistadt und sie ahnen weiters, auch sie hat es nicht in Oberösterreich gehalten. Sie lebt in Wien. Wieso ist das eigentlich so, dass alle davonlaufen? Margrethe Affenzeller lebt in Wien. Sie studierte eben dort Theaterwissenschaften, Germanistik und Geschichte und sie arbeitet seit mehr als zehn Jahren im Kulturressort des Standards. Sie schreibt außerdem in der Zeitschrift Theater der Zeit und ist langjähriges Mitglied beim Nestreu-Preis in der Jury. Mir bleibt eigentlich nur noch über sie auf den Büchertisch zu verweisen, wo Sie Werke von Beatrix Kamlowski und Elisabeth Schmiedauer im Anschluss erwerben können, ganz hinten beim Ausgang, das Literaturcafé zu erwähnen, das aufgrund der behördlichen Maßnahmen um 21.45 Uhr Sperrstunde macht und dass ich Sie bitte, die FFP2-Maske den ganzen Abend über zu tragen. Ich wünsche uns einen interessanten und anregenden Abend und übergebe an Frau Attenzeller. Ja, von mir einen schönen guten Abend. Ich möchte nur, bevor die Lesungen starten, ein paar einführende Worte zu den bereits genannten Büchern machen. Wir haben uns entschieden, das chronologisch zu machen. Wir haben uns entschieden, das chronologisch zu machen, das heißt, das Buch, das schon am allerlängsten wartet, auf die Präsentation vorzuziehen, aber auch im zweiten Sinne chronologisch. sozusagen den Ersten Weltkrieg als Hintergrund und bei Fancy ist es eben der zweite, wobei das auch natürlich bis in die Gegenwart reicht, das Buch. Eben ein paar Worte zu Fanny oder das Weiße Land. Es ist ein Buch, das die Kriegsgefangenschaft im Ersten Weltkrieg zum Thema hat. Kriegsgefangenschaft im Ersten Weltkrieg zum Thema hat. Es geht um österreichische K&K-Soldaten, die ganz früh im Ersten Weltkrieg, nämlich schon 1914, in Kriegsgefangenschaft in Ostsibirien geraten und dort dann im Jahr 1918 entscheiden, die Flucht anzutreten zurück in den Westen. Es sind im Fokus stehen sechs Freunde, kann man sagen, die eben im Zuge dieser Gefangenschaft sehr aneinander hängen und wiederum im Zentrum steht ein K&K-Offizier namens Karl Findeisen, der ein bisschen die Hauptfigur ist, auch wenn am Titelblatt Fanny steht. Fanny ist nämlich seine Verlobte, die er in Wien 1910 kennengelernt hat, mit der er einen kleinen Sohn hat, die er aber vor Beginn des Krieges, als er einrücken musste, in Wien zurücklassen musste. als er einrücken musste, in Wien zurücklassen musste. Fanny ist deshalb auch wichtig, weil Karl Findeisen auch durch den Briefverkehr, den er mit seiner Verlobten unterhält, also sozusagen das Innenleben, die Gedanken, die er halt in Bezug auf all diese Erlebnisse, die er hat, aber auch in Bezug auf das Ziel, nämlich wieder zurückzukehren in seine alte Heimat, dort ausführen kann. Also es sind die Briefe, Briefverkehr ist fast etwas zynisch gesagt, weil es natürlich sehr schwierig war, über diese große Distanz Briefe zu schreiben und zu erhalten, also vor allem in kürzeren Abständen. Es sind sehr lange Abstände, also oft über Monate hinweg und sie kommen natürlich auch zensuriert an, aber sie sind sehr wichtig in diesem Roman und stellen ihn sozusagen auch als die Hauptfigur aus, der halt die Gedanken, die er so im Inneren für sich hegt, die er halt vielleicht nicht alle mit seinen Kollegen teilt, in der Erzählweise vorkommen, sondern halt direkt in direkter Rede. Anfang eben gefangen hält, ist Khabarovsk, ein wirklich sehr weit im Osten gelegener Stadt in Sibirien, noch weiter östlich als Peking. Ich habe es mir extra angesehen auf der Karte, es ist wirklich näher zu Alaska als zu sonstwohin. Und von dort starten diese sechs Kriegsgefangenen, die dann versuchen, eben auf eigene Faust sich einen Weg zu bahnen zurück nach Österreich. Es wird länger dauern als erwünscht, das kann man sagen. Es werden auch nicht alle schaffen, ich glaube, das kann man auch sagen, ohne jetzt groß zu spoilern sozusagen. Zu spoilern sozusagen. Wichtig ist auch noch vielleicht als Faktum, dass Karl aufgrund der Familienräson dann doch die Militärlaufbahn eingeschlagen. Und in diesem Roman wird seine Befähigung und sein Talent und die Leidenschaft, die er dafür hat, aber zu einem Wahnsinns-Pluspunkt. Es ist sozusagen seine Talente im Zeichnen, im Malen, aber auch im Schnitzen von kleinen Holzfiguren werden so was wie eine Währung im Handel um ein Stück mehr Freiheit. Und das ist, finde ich, ein ganz bemerkenswerter Aspekt in diesem Roman, der sich immer mehr auswächst sozusagen und der das zu einem ganz besonderen Verlauf einer Flucht macht. Ja, das Buch ist bereits 2020 erschienen, hat schon eben eine lange Wartezeit vor sich, aber es konnte ja in der Zwischenzeit auch gekauft werden. Vielleicht kennen es einige von Ihnen auch. Frau Kamlowski hat auch schon gesagt, dass sie schon sehr viel Lesefeedback bekommen hat. Vielleicht können wir darüber auch später nochmal genauer reden. Ja, aber vorerst möchte ich Sie zur Lesung bitten und bitte kommen Sie auf die Bühne, Frau Kramlowski. Es ist schön, Sie zu sehen. Ja, ich entführe Sie jetzt nach Sibirien und fange einfach von vorne an. Prolog, wie es ist. Die Zeit ist stumm, sie hängt über den Lagern, über den Männern als zähe Lautlosigkeit. Die elektrischen Zäune halten die Gefangenen in Schach. Die Zeit jedoch durchdringt sie, drückt Wachen und Bewachten ihren Stempel auf. Sie verletzt unbemerkt. Manchmal fängt einer zu heulen an, die anderen warten auf das Versickern der Klage. Manchmal endet sie im Irrsinn. Die Männer fürchten sich alle davor. Karl hört Vogelgezwitscher, das Säuseln der jungen Blätter im Frühling und ihr krachendes Brechen im Herbstwind. und ihr krachendes Brechen im Herbstwind. Er hört das Gras wachsen, sich biegen, welken und weiß, dass die Jahreszeiten vorüberfließen, ihn und die anderen Männer zurücklassen, als seien sie durch Zufall hierher gekarrt worden. So ist es ja auch. Wenn einer nach Wochen bewusst im Spiegel sein vertrautes Abbild sucht, entdeckt er neue Falten und weißes Haar. Die Zeit hat sie berührt. Sie vergehen wie Vogelgezwitscher, wie Gras, wie Blätter, zukünftiger Dünger einer fremden Erde. Die Zeit ist stumm, wenn sie die Gefangenen umarmt, selbst früh am Morgen beim Appell. Sie spielt mit den Männern, während Namen verlesen werden und manche genau hinhören, ob Antworten ausbleiben. Der Kontrollaufruf schneidet die Nacht vom Tag, teilt in Vergangenes und Kommendes, markiert den Weg durch den konturlosen Morast ihrer Gefangenschaft. Karl markiert den Weg durch den konturlosen Morast ihrer Gefangenschaft. Karl zeichnet, um das Gewicht der Zeit zu ertragen. Er zeichnet, was ihm vor die Augen kommt. Er legt Zeugnis ab über die Stunden, wird Synchronist von Momenten und er weiß, er gehört zu den Glücklichen, weil er noch lebt und weil es daheim jemanden gibt, der auf ihn wartet. Der Stift in der Hand hält ihn fest in der Gegenwart, damit ihn der Gedanke an die versperrte Zukunft nicht erdrückt. Die Zeit bedrängt ihn und lehrt ihn das Fürchten, wie alle anderen auch. das Fürchten wie alle anderen auch. Aber er trägt den Klang von Fannys Stimme mit sich, eine Melodie, die Liebe verspricht. Solange er sie hört, wird er stark bleiben. Die Zeit umarmt ihn stumm. März 1918 Aus Fannys Brief vom 5.8.1916 Du bist dem Pazifik näher als ich dem Atlantik. Um dich sind Vögel, die anders zwitschern, Blumen, die anders aussehen, Bäume, die anders wachsen, Jahreszeiten, die anderen Regeln folgen. Nur der Himmel über uns ist dasselbe. Und jeder Stern, den du grüßt, grüßt einen halben Tag später mich. Mir ist das Leben hier vertraut. Doch meine Heimat bist du in der Ferne. Nichts. Nichts war so gut, wie von Fanny geliebt zu werden. Nichts auf der Erde war damit zu vergleichen. Zumindest konnte Karl Findeisen sich das nicht vorstellen. Jede Nacht begegnete er ihr vom Scherz befreit und voll Sehnsucht, die für Augenblicke gestillt wurde. Fannys Hände strichen dann über seine Stirn, während sie mit dieser weichen Stimme sprach, die ihn an Bratschen erinnerte oder an Tenorflöten aus Ahornholz. Es störte ihn nicht, dass er die Worte nicht verstand, dass Fremdheit sich einschlich, als wüsste er nichts von ihrer gemeinsamen Sprache. Er verstand sie ja trotzdem, es war doch seine Fanny, wie dumm von ihm. Er lächelte und drückte den Kopf gegen ihre warmen Finger, die plötzlich nachgaben, sich auflösten. Sofort war er wach. Wieder nur ein Traum. Sofort war er wach. Wieder nur ein Traum. Viktor lag auf der Pritsche unter ihm. Karl konnte ihn atmen hören, mit einem ganz eigenen Schnaufen, das er vermutlich sein Leben lang wiedererkennen würde. Kaserneraum, immer auf dem Rücken, die Beine gestreckt und leicht gegrätscht, die Arme unter dem Kopf verschränkt oder entspannt am Körper, als würden die Schrecken des Tages seine Träume nie verfärben. Alles an ihm war lang und schlank und jungenhaft. Woher nahm sein Bruder dieses Vertrauen in eine lichtvolle Zukunft, dass alles gut enden würde, dass die Welt auf ihn wartete? Die brüderlichen Sandkörner zwischen tausenden anderer Sandkörner, und doch waren sie nicht vergessen, existierten als Namen auf Listen, als Söhne verzweifelter Eltern, die anderen verzweifelten Eltern gleich, das Rote Kreuz um Hilfe baten, dass die zwei wenigstens miteinander gefangen sein durften. Das Einzige, das für Karl wirklich feststand, war Liebe. Aber darüber konnte er nicht reden. feststand war Liebe, aber darüber konnte er nicht reden. Er wälzte sich auf seiner Matratze, tastete nach dem Weihnachtsbrief Fannys, den er im Jänner bekommen hatte und in einer aufgenähten Tasche an der Innenseite des Unterhemdes bei sich trug. Es war viel zu finster, um das Bild anzuschauen, das sie mitgeschickt hatte. Das machte nichts. Wenn es hell genug war, würde er wieder nach dem Papier greifen, mit dem Finger darüber fahren und sich vorstellen, es wäre ihre Haut. Die Männer schaffen die Flucht mithilfe der sibirischen Eisenbahn. Und natürlich profitieren sie auch davon, dass im ganzen riesigen Kontinent ein Bürgerkrieg im zukünftigen Sowjetreich ausgebrochen ist. Man muss sich das so vorstellen, dass die Landstriche teilweise von Rebellenführern geführt wurden oder in ihre Gewalt gebracht worden sind, dass die Truppen des Zaren nicht mehr vorhanden waren und dass es plötzlich rote Brigaden gab, von denen man schon daheim in der Heimat etwas gehört hat, von diesen Kommunisten. Aber jetzt sind sie im Zug. Die Tage glichen einander. Es gab den Weg zum Samovar, der am Ende des Waggons an der Wand befestigt war und vom Schaffner immer wieder mit Wasser und frischen Teeblättern befüllt wurde. Es gab das freundliche Nicken der Mitreisenden frühmorgens, wenn sie zum Abort hinter dem Holzverschlag wankten. Es gab das vorbeihuschende Land draußen vor den Fenstern, zu beiden Seiten flache Endlosigkeit, in der manchmal langgezogene Bodenwellen auftauchten, als glitten sie über ein gefrorenes Meer von braun-grauem Wasser, auf dem schmutzig-weiße Gischt tanzte. Manchmal leuchteten frische Schneezungen, die aus dem verwaschenen Horizont wuchsen und sich den Gleisen entgegenstreckten, besetzt mit strahlenden Eiskristallen. Es war eine gigantische Landschaft, durch die sie sich bewegten. Die Bahnstrecke folgte dem großen Bogen der Grenze, im Süden lag unsichtbar die chinesische Mongolei hinter den dicht bewachsenen Böschungen des Amur, die zaghaft den Frühling zu verkünden begannen. Manchmal erschien ein Reiter, manchmal blitzte zwischen dem grauen Schnee unglaublich grelles Grün auf. Manchmal verloren sie den Blick auf den Fluss. Und manchmal stand in einer kaum wahrnehmbaren Senke ein Busch in früher Blüte und Vögel schwirrten darüber, als wäre der Strauch eine lebensrettende Insel. Die Reise wird nicht sehr weit gehen und sie wird unterbrochen werden von einer monatelangen Internierung in einem fürchterlichen Gefängnis, aus dem sie mit Mühe und Not und mit Karls Fähigkeiten im Frühling darauf wieder aufbrechen können, weiter. Was ihnen für den nächsten Sommer hilft, das ist dann etwas ganz Besonderes. Sie landen bei Menoniten. Halbstadt war ein Dorf aus neun Holzhäusern mit Vorgärten, in denen die Stauden trotz der Hitze noch blühten. Der Wagen rollte die Hauptstraße entlang, bog hinter einem Haus mit steilem Giebel ab und blieb wenige Minuten später vor einem Bauernhof mit Stall, Schuppen, Scheune und Wohnhaus stehen. Hunde bellten, die Tür ging auf, Licht fiel in breitem Strahl heraus, ein Mann mit unglaublich breiten Schultern hob grüßend die Hand. Das war David Spanner. Und Sie müssen sich jetzt vorstellen, diese Männer haben mehrere Jahre bereits in Kriegsgefangenschaft hinter sich und Kriegsgefangenschaft hinter sich und bereits ein Jahr auf der Flucht. Nach der ersten Nacht im Schober wurden sie im Morgengrauen von einem Jungen geweckt, der sie zum Brunnen führte. Auf einer Bank lagen zerfranzte Baumwolltücher, mit denen sie sich waschen und trocknen konnten. An der hofseitigen Hauswand standen Bänke und Tische, auf denen sich bereits Jausenbrettel und dickbauchige Tassen stapelten. Zwei Mädchen mit geflochtenen Zöpfen trugen Brot, Butter, eine Schüssel mit Tropfen und einen Teller mit Käse und gekochten Eiern heraus. Die Männer schauten ihnen mit offenen Mündern nach. Eine Frau brachte dampfenden Tee und Honig. Ein Junge trug vorsichtig eine Schüssel mit roter Marmelade. Eine andere Frau erschien mit einem Reindl voll Brei und Löffeln, die sie wie einen Blumenstrauß hielt. Milch, Mettwurst, eingelegte Gurken, ein Kranz Dürre samt scharfem Messer gesellten sich zu den Schätzen. Mit jedem Erwachsenen erschien mindestens ein weiteres Kind. Kommt, rief David Spanner den Segen sprach. Lasst es euch gut schmecken, Brüder, wandte er sich an die Österreicher. Er verwendete sehr viele Es, es klang wie Lewebräder. Er hörte sehr viele Es. Es klang wie Lewebräder. Dann meinte er noch, sie sollten nicht zu gierig sein vor Hunger, damit Gottes Geschenk in ihnen verbliebe. Karl war sprachlos, während die Kinder schon mit ihren Holzlöffelchen Brei in sich hineinschaufelten und eine Frau exakt gleich dicke Scheiben vom Brotleibschnitt. Neben ihm seufzte Viktor tief auf. Ludwig fing einfach zu weinen an. Und Eduard verlor in seiner Dankesrede gleich beim ersten Wort die Stimme. Liebste Fanny, schrieb Karl später, der Himmel reißt auf, wenn man vergessen hat, wie sich Trost anfühlt. Wir haben nie länger als zwei, drei Wochen richtig gehungert. Es ergab sich immer etwas. Oder ein gütiger Mensch hatte genug, um zu teilen. Aber das hier ist anders. Wir erleben zum ersten Mal seit sechs Jahren eine Familie. Wir sitzen am Tisch wie Brüder. Wir weinen wegen Nichtigkeiten, weil die Erinnerung an das verlorene Zuhause übermächtig wird. Wir sind überglücklich. Und zugleich ist es schier nicht auszuhalten, weil es nicht unsere eigene Familie ist. Ein Jahr später sind sie nach einem weiteren fürchterlichen Aufenthalt in Leningrad gelandet. Leningrad hieß damals noch Petersburg, Petrograd. Und es ist April 1921. Nichts, kein Wort, kein Zeichen, keine Botschaft. Doch solange man mir keinen toten Mann als dich bezeichnen kann, so lange warte ich auf dich. Die Weite hat dich verschlungen, die Ferne entführt. Ich harre aus, ich baue ein Heim aus Geschichten über dich für unser Kind und als Stütze für mein rufendes Herz. Kein Essen, kein Holz, aber jede Menge neuer Gefangener. Draußen tagten die Volksgerichte. Die Hofgänge wurden gestrichen, die Insassen drängten sich aneinander. In der Werkstatt und angrenzenden Tischlerei hausten an die 50 Mann, froh, dass sie nicht drüben in den zugigigen Zellen auf dem nackten Boden frohen. Die Holzscheite für den Ofen waren penibel eingeteilt und wurden bewacht. In den nächsten vier Nächten konnte die Temperatur noch um den Nullpunkt gehalten werden. Weiter wollte niemand denken. niemand denken. Der Hunger begann zu ziehen. Sie träumten vom Brot, von heißen Suppen, von Gerichten, die Mütter und Frauen kochten. Noch wollten sie einander zuhören bei diesen privaten Träumen. Anfangs griff Ludwig zur Trompete und spielte. Dann kostete es ihn zu viel Kraft. Die erste Nacht ohne Feuer krochen sie dicht aneinander, deckten sich von oben zu wie eine römische Kohorte, die unter Schildern versteckt den Angriff auf feindliche Mauern plant. Alle Stunden wurden die Positionen gewechselt, sodass ein Austausch zwischen außen und innen geschah. Keiner erfror, aber sie brauchten eine Ewigkeit, um auf die Beine zu kommen, sich zu strecken, gerade zu stehen. Das Eis in den Wassereimern wurde zerschlagen und gelutscht. Draußen gingen Wachen auf und ab, wie sie es früher nie getan hatten. Dann fuhren die Exekutionswagen vor. Sie hörten das Abspringen der Männer, das Klacken der Stiefel. Von weit drangen manchmal Schreie. Später wurden Körper die Gänge entlanggeschleift und in Zellen geworfen. Dann hörte man Wimmern und wusste nicht, kam es von den Gefolterten oder von denen, die ihre Wunden sahen. Noch später fing einer der Russen zu beten an und sie fielen auf Deutsch ein. Noch später lagen sie dicht an dicht, schweigend, jeder in seiner eigenen Höllenversion. Tage vergingen. Ende März starben in der Werkstatt die Ersten. Sie zerrten sie hinaus vor die Eingangsstufen, dort blieben sie liegen. Einmal erschien ein Räumkommando, um die Toten einzusammeln. Eines Tages kam wieder Bewegung auf. Der Eingang wurde mit Gewalt aufgerissen, weil sich das Holz verzogen hatte und am Rahmen festgefroren war. Karl Findeisen? Viktor und Josef halfen ihm hoch. Er stand gebückt, die Hände abgestützt auf den Schultern seiner Freunde. Ein Mann trat vor, er trug eine Art Uniform, war vielleicht 40 Jahre alt, wirkte überlegt, abwartend. Was ist das hier? Eine Werkstatt, ein Künstleratelier. Wir erfüllen Aufträge, Spielzeug für Kinder, Bilder für Familien, Porträts für Mütter. Wie brüchig seine Stimme klang. Woher kam das Material? Wir durften uns in einem privaten Atelier bedienen. Wer hat das erlaubt? Der Kommandant, der frühere Leit... Jojew ist tot. Karl wartete. Er hörte, wie die Leiber seiner Mitgefangenen aneinander rieben, wie sie husteten und atmeten und versuchten, so still wie möglich zu sein. Er dachte an den Himmel draußen, den er nicht sehen konnte und dass bald Vogelschwärme sein Blau durchschneiden würden, dass der Frühling kommen würde. Er dachte daran, wie viele tausend Kilometer er zurückgelegt hatte und dass das Meer nicht weit entfernt war, dass nur die Festung Kronstadt und ihre Toten auf dem Eis rundum zwischen ihm und der letzten Wegstrecke in die Heimat lagen. Ein so kurzes Stück. Die Werkstatt ist geschlossen. Karl nickte. Der Mann drehte sich um, die Wache schob die liegenden Gefangenen zur Seite. Herr Kommandant! Karl kämpfte darum, dass seine Stimme nicht zitterte. machte den nächsten Schritt zur Tür, fragte jedoch, was ist? Können wir Holz zum Heizen bekommen? Warum? Wir erfrieren. Die meisten von uns sind jung. Lebend könnten wir nützlich sein. Dies ist ein Gefängnis, kein Arbeitslager. Aber der Mann drehte sich um, Maßkadel von oben bis unten schüttelte ungläubig den Kopf. Ein Künstler, einer, der die Welt verstehen will, bevor er sie neu erfindet. Ein Träumer, der nicht kapiert, dass er in den Geburtswehen einer politischen Vision steckt. Dass das Schicksal aller sich ändert und kein Stein bleibt auf dem anderen. sich ändert und kein Stein bleibt auf dem anderen. Er begann schallend zu lachen und sie hörten ihn noch draußen, als sich die knirschenden Stiefel über das Eis bewegten, die Türen wieder geschlossen waren. Aber kurz darauf kamen Wachen, brachten Holz, Brot und das Versprechen, dass ab dem nächsten Tag die Küche wieder ihren Dienst aufnehmen würde, wenn ein neuer Bahntransport mit Nahrung für Petrograd eingetroffen war. Wieder, wieder hat uns der Mahler einen Aufschub verschafft, sagte einer der Kriegsgefangenen, während das Holz im Ofen Feuer fing und die Wände in der wachsenden Wärme zu knacken begannen. Danke. Ich muss mich auch mitnehmen. Sie haben im Anhang des Buches geschrieben, dass Sie ein Typoskript erhalten haben von einem Mann, der eben genau das, was Sie jetzt fiktionalisiert haben, erlebt hat und auch eben in eigenen Worten als Erinnerung niedergeschrieben hat für seine Familie, für seine Kinder, für seine Enkelkinder. Und sie haben dieses Typoskript dann in die Schublade gelegt und zunächst mal liegen lassen und vor fünf Jahren dann doch wieder zur Hand genommen, um diesen Stoff dann zu literarisieren. Warum haben sie das dann doch gemacht? Was hat sie daran gereizt? Und was wissen Sie über diesen Mann, der all das, was Sie jetzt im Buch verarbeitet haben oder Teile daraus selbst erlebt hat? Ja, ich habe mir gedacht, etwas daran interessiert mich wirklich, nur weiß ich noch nicht genau warum und deswegen lasse ich es liegen. Daran interessiert mich wirklich, nur weiß ich noch nicht genau warum und deswegen lasse ich es liegen. Und dann war für mich klar der Gedanke, dass Kunst Leben retten kann, die brotlose Kunst. weil es Karl tatsächlich gelungen ist, über 100 Männer durch drei wirklich fürchterliche Winter durchzubringen mit seinen Theaterwerkstätten. Karl hat in dieser Zeit auch erfasst, dass er wirklich gerne Künstler geworden wäre. Er fragt sich bis zum Schluss, ob er tatsächlich das Talent hätte. Mehr erzähle ich jetzt nicht über seine künstlerische Laufbahn. Was mich noch interessiert hat, war, es hat die Fanny wirklich gegeben. Und sie war wirklich ein Blumenmädchen. Und sie hat auf ihn gewartet. Und sie hat auf ihn gewartet. Und ich habe dann seine Tochter, die er nachher noch bekommen hat, kennengelernt. Von ihr habe ich das Typoskript bekommen. Und ich habe zu ihr gesagt, es gibt bestimmte Aspekte in diesem Typoskript, die mich nicht interessieren und die mich eigentlich auch abschrecken. Und das hat sie in gewisser Weise sehr beruhigt. Und sie hat mir jede Freiheit gelassen, mir aus diesem Typoskript zu nehmen, was ich möchte. Und von diesem Tag weg wusste ich, ich schreibe die Geschichte über eine Suche nach Heimat, über eine Freundschaft von Männern, die alles überwinden kann und über eine Liebe, die tatsächlich gehalten hat, unter widrigsten Umständen. Sie sind ja selber Künstlerin und ich finde die Passagen in dem Buch, in denen Karl mit sich besonders ringt und enorm unter Spannunght, als es gedacht war, dann verspielt er ja sozusagen das Ticket für ein bisschen mehr Freiheit oder für gewisse Vorteile. Und Sie beschreiben das wahnsinnig präzise, also gerade was dieses eine Gemälde am Ende betrifft, wie er mit sich hadert, wie man ein Gesicht zeichnet, wie hell es sein muss, wie viel traut er sich als Gefangener letztlich ja auch dem Modell zu sagen, was es zu tun hat. Haben Sie da auch eigene künstlerische Fragestellungen einfließen lassen in diese Passagen? Ja, also diese Szene mit diesem Porträt, die hat es nicht gegeben. Was mich interessiert hat, war, dass Karl, der ja im Grunde genommen keine akademische Ausbildung hatte, aber sehr, sehr interessiert war an Fotografie und an Malerei, genau zu dem Zeitpunkt nach Russland kommt, wo die Moderne erfunden wird. wird und er wird konfrontiert mit einer völlig neuen sichtweise mit abstrakter malerei mit neuen ideen dass das brodelt alles in ihm und er bemerkt dass diese frau verständnis hat für einen mann der in der kunst mehr zu hause ist als in seinem Beruf, in seinem Eigentlichen. Das hat mich einfach interessiert und da hat es genügend gegeben, dass ich beschreiben konnte. Ja. Sie haben, das ist mir so ab der Mitte des Lesens so wirklich bewusst geworden, Sie beschreiben ja eigentlich eine Männerwelt. Krieg ist eine Männerwelt. Krieg wird beim Ersten Weltkrieg von Männern beschlossen. Er wird von ihnen geführt, gekämpft. Alle Entscheidungsträger, auf die die sechs Männer hier treffen, sind wiederum Männer. Inwiefern hat sie das herausgefordert, sozusagen sich mit einer Männerwelt, die ja auch sehr intim vorkommt, also es ist ja eine wahnsinnig existenzielle Situation, auf wenig Raum, unter diesen hygienischen Bedingungen, mit der Art von Hoffnung oder eben nicht, die man sich tagtäglich, mit der man konfrontiert ist, wie hat sie das herausgefordert? Vor welche Grenzen hat Sie das gebracht? Mein Arbeitstitel war eigentlich Land ohne Frauen. Ich wollte mich einfach damit beschäftigen, wie das ist, wenn Männer unter Männern unter schwierigsten Umständen und als Gegner miteinander leben müssen. Und dann gibt es auf der anderen Seite eine Frau, die plötzlich alles kann ohne Mann, die ein Kind ernährt, die ein Geschäft aufbaut, die Erfolg hat wie viele andere Frauen, die ihren Mann stehen mussten. Und die Männer überlegen sich das erste Mal aufgrund der Briefe, die sie bekommen, brauchen uns diese Frauen eigentlich noch? Wer sind wir für diese Frauen, wenn wir zurückkommen? Wollen uns diese Frauen, wenn wir zurückkommen? Wollen uns diese Frauen? Und das sind zwei solche Gegenpole. Das macht es einfach unheimlich spannend, damit zu arbeiten und herauszufinden oder es zu probieren. Wie könnte das gewesen sein und welche Sprache verwende ich dafür und welche Figuren entwickle ich? Ihr Buch ist ja schon 2020 erschienen, im Herbst, und ich habe mich jetzt gefragt, ob es nicht auch, also ich nehme an, Sie haben auch noch während der Pandemie daran geschrieben, wenn es nicht so ist, dann sagen Sie es, nicht so ist, dann sagen Sie es. Aber ich habe gedacht, war es nicht sehr verlockend, auch die spanische Grippe, die ja genau in diesem Jahr 1918 enorm grassiert hat und auch vor allem in Kriegsgefangenenlagern, wo man eben sehr eng zusammengelebt hat. Aber an Ihrem Nicken merke ich schon, Sie haben es vorher beendet. Ich habe es vorher beendet. Es kommt die spanische Grippe im Buch, wird erwähnt, aber ich habe es vorher beendet bereits gehabt. Zwei Frauen erwähnen Sie, also es wird nicht nur von Männern gemacht, auch Frauen sind beteiligt, wenn auch nicht vielleicht in den gleichen Positionen und Sie haben auch im Anhang Ihres Buches, Und Sie haben auch im Anhang Ihres Buches, erwähnen Sie zwei Frauen, und zwar Elsa Brandström und Elsa von Harnikern, die beide auch, also die eine als Krankenpflegerin und die andere hat sozusagen dafür gesorgt, dass der immens komplizierte Briefverkehr über China aufrecht bleiben konnte. Wie wichtig waren diese beiden Figuren für Ihre Recherche? Ich habe den Namen von Elsa Brandström bereits gekannt, der Frau von Hanecken habe ich dann erst erfahren, weil ich mich gefragt habe, wie hat das eigentlich funktioniert mit den Briefen? Es wurde auch Geld überwiesen, es sind Pakete angekommen und das hat nicht mit der öffentlichen Post funktioniert, die ist zusammengebrochen. Das hat funktioniert mit Hilfe des Roten Kreuzes, das sich an Frau Harnicken gewandt hat. Das war die Ehefrau des deutschen Handelsdelegierten in Tianjin, die sich fürchterlich darüber aufgeregt hat, dass da Menschen jetzt so weit voneinander entfernt sind und der Handel funktioniert trotzdem noch. Sie hat mit Berlin und Wien eine Brücke, faktisch als Brückenköpfe, eine Postverbindung aufgebaut, die tatsächlich gehalten hat bis zum Winter 1819. Dänemark ist dann noch eingesprungen. Dänemark hat in diesem Krieg bereits, so wie Schweden, eine große Rolle gespielt als Helfer und hat dann für noch ein weiteres Monat, sechs Wochen, den Briefverkehr aufrechterhalten können, nachdem der Krieg schon mehr oder weniger beendet war. Das war diese tolle Frau. Frau von Harnicken ist geflohen dann mit ihrem Mann und hat dann versucht, mit ihrem Mann auch wieder zurückzukehren nach China und dort sind sie dann umgekommen. Elsa von Brandström war eine Schwedin, die Krankenschwester war und die sich so aufgeregt hat über die Zustände in den ersten Kriegsgefangenenlagern, die es rund um Moskau gegeben hat, dass sie begonnen hat, geradezu einen Feldzug zu führen. Sie war ein hoffnungbringender Engel für viele. Über sie gibt es wahnsinnig viele Briefe, die die Soldaten heimgeschickt haben, wie großartig diese Frau war. Sie hat mit den adeligen Damen sofort Schwesternkontingente aufgebaut, die von Lager zu Lager gefahren sind und geholfen haben. Sie hat das dann zu Ende fast alleine noch geschafft. Sie hat es geschafft, dass Priester in die Lager hinein durften, dass Ärzte hinein durften, dass das Rote Kreuz Medikamente reinbrachte. Sie wurde als Heldin gefeiert, hat dann ein Buch über diese Zeit geschrieben, das es auch noch immer gibt. als deutsche Heldin. Da hat sie sofort einen Riegel vorgeschoben und hat dann unter lautstarken Protest Deutschland, wo sie zu dem Zeitpunkt dann gelebt hat, mit ihrem Mann verlassen und ist nach Amerika ausgewandert und hat sich immer verweigert, den politischen Parteien, die versucht haben, mit dieser Persönlichkeit zu punkten. Vielleicht noch eine kurze Antwort auf die letzte Frage, weil ich es schon angekündigt habe, weil Sie im Vorgespräch erwähnt haben, dass Sie viele Leser- und Leserinnenreaktionen oder besonders Leserreaktionen bekommen haben. Vielleicht können Sie dazu noch kurz sagen, was das ist. Ja, ich habe das erste Mal tatsächlich von sehr vielen Männern auch Anfragen bekommen und ausgesprochen persönliche Gespräche, in denen sie mir von ihren Vätern und Großvätern erzählt haben und dann vom Hundertsten ins Tausendste gekommen sind und gesagt haben, sie waren so froh zu erfahren, wie diese Lager eigentlich damals waren. Wobei ich sagen muss, das waren die Lager für die Offiziere. Normale Soldaten waren in den fürchterlichen Straflagern und die haben fast keine Chancen gehabt, wirklich durchzukommen. ja, die haben fast keine Chancen gehabt, wirklich durchzukommen. Was mich einfach berührt hat, war, dass so viele Männer das Buch eigentlich genommen haben, weil im Netz, also auf Amazon, ein Historiker geschrieben hat, dass endlich eine Lücke geschlossen worden ist und haben mir dann einfach erzählen wollen, was sie wissen und woran sie sich erinnern und waren ganz offensichtlich froh, jemanden gefunden zu haben, den das interessiert. Das sehen wir auch so. Vielen Dank vorerst für Ihre Antworten und wir kommen dann zum zweiten Buch. Applaus Fancy, und ich gebe dem Herrn Kügelberger recht, es ist mit Fanny und Fancy wirklich gar nicht so einfach, das synchron zueinander darüber zu sprechen und darüber nachzudenken und das zu diskutieren. Sommer des letzten Jahres, wir haben ja schon 2022 erschienen und hat eben, ich habe im Eingang gesagt, den zweiten Weltkrieg im Hintergrund. Das ist nicht so ganz richtig, es ist eigentlich ein Buch, das auch in der Gegenwart spielt, es ist auch gar nicht so einfach nachzuerzählen, es ist eigentlich ein Buch mit vielen Gleichzeitigkeiten. Es ist für mich so ein Porträt von mindestens drei Generationen, wenn nicht mehr, eigentlich vier, und zwar aus Oberösterreich sozusagen entstanden. Es ist ein Buch, das sehr verortet ist, sehr konkret verortet ist in Oberösterreich. Es fallen die Namen Lungitz, es spielt auch in Linz, es fällt für mich sehr relevant die eiskalte Feldeist zum Beispiel. Es geht um Franz, einen Bauernsohn, der als letzter Bauernsohn einer Familie geboren wird und sich von Anfang an ein bisschen als Außenseiter fühlt, weil es bereits zwei potenzielle Hoferben gibt. Es geht um ihn, aber es geht auch um all seine Nachkommen, beziehungsweise um auch seine Eltern, die alle mit einer Schuld in dieser Familie zu leben haben und mit den Konflikten daraus zu leben haben und diese auch an die nächsten Generationen weitergeben. Also konkret geht es um das südliche Müllviertel und um vor allem die 40er Jahre, wo eben Franz mit Zeuge wird von politischen Entscheidungen und der Kriegsjahre, die halt sehr brutal gewesen sind. Es gab die Lager in Mauthausen und Nebenlager, es gab viele Zwangsarbeiter und Flüchtlinge. Schon sein eigener Vater hat im Ersten Weltkrieg gekämpft und dort traumatisierende Erfahrungen gemacht und bringt wiederum darüber den Krieg schon in die Familie herein. Also es ist eine sehr belastete Familie, die auch wirklich vielfach zerbricht, die aber, wie gesagt, bis in die Gegenwart hereinreicht. Eine sehr zweite wichtige Figur ist Astrid, das ist die Enkelgeneration, in dem Fall die Enkelinnengeneration. Eine junge Frau, die jetzt in der Gegenwart lebt und die sich mit ihrem Großvater, dem Franz-Opa, so wie er im Buch genannt wird, sehr, sehr gut versteht, eine sehr enge Beziehung zu ihm hat, in der aber auch irgendwie all das, was die Familie in den letzten Generationen erlebt hat und auszutragen hatte, sich immer noch spüren lässt und immer noch irgendwie vorhanden ist. Das ist, finde ich, ist sozusagen für mich das Besondere an diesem Buch, wie dieses Echo der Vergangenheit in der Gegenwart immer noch merkbar ist. Jetzt bitte ich aber um die Lesung und um Elisabeth Schmidauer. Ich schenke Ihnen auch noch ein Glas ein. Ich trinke Ihnen was vor. Sie sind sehr tapfer mit Ihren Masken. Ich habe für die eher kurze Lesung mich auch wieder auf den Franz konzentriert. Die Astrid ist für mich eine ganz wichtige Figur, aber sie wird immer ein bisschen stiefmütterlich auf die Seite geschoben. Tut mir leid, aber ich habe ein paar Ausschnitte gewählt, die Erinnerungen von Franz zeigen. die Erinnerungen von Franz zeigen. Das heißt, ein alter Mensch erinnert sich an seine Kindheit, die keine leichte war. Zwischendurch scheint es so, als hätte es fast so etwas wie Idylle gegeben. Und dann merkt man, dass das mit der Idylle überhaupt irgendwann gar nicht mehr gestimmt hat. mehr gestimmt hat. Ihm schien, der Briefträger sei aus einer weiten Ferne auf ihn zugekommen. Er selbst stand auf einer Anhöhe am Feld rein. Vor ihm lag die staubige Straße, die sich weiß den Hügel hinunter und wieder hinauf schlängelte. Am Himmel stockten Wolken auf. Über den Feldern flirrte Gewitterluft und der Briefträger bewegte sich aus weiter Ferne auf ihn zu. Zuerst war er nur ein Punkt, der am Horizont über die Hügelkuppe kam, dann kam er rasch näher, zu Fuß oder auf dem Rad. Das mochte er im Traum nicht entscheiden. Die Schuhe des Briefträgers würden, wenn er bei ihm angekommen war, mit dem weißen Staub der Straße bedeckt sein. Oder kam der Briefträger aus der Ferne auf ihn zu, aber so, als käme er nicht vorwärts. In einer seltsamen Verdichtung der Luft, so schien ihm, habe sich der Briefträger bewegt, er sei aber keinen Schritt weiter gekommen und vielleicht bewegte er sich immer noch auf ihn zu, um die Nachricht,ahnen, die standen unbeweglich in bewegter Luft und vielleicht stand auch der Rocken noch, golden und Wiesen wogten, blumenbunt im Wind, der nicht wehte und der Briefträger war ein schwarzer Punkt am Horizont und kam keinen Schritt vorwärts und bewegte sich immer noch auf ihn zu. sich immer noch auf ihn zu. Das helle, schimmernde, das in seinem Leben gewesen war vor langer Zeit, da war eine Wiese gewesen, da war ein Mädchen gewesen, tanzte das Mädchen in der Wiese, setzte es sich ins Gras, pflückte es Klee, Margeriten, Glockenblumen und hob es jetzt den Kopf und das helle Licht strahlte um sein Haar. Etwas fuhr in seine Brust, eine Freude, so groß, dass sie wehtat. Als er großjährig wurde, hatte er den Hof übernommen, am nächsten Tag hatte er den Wald verkauft. Der Brunner, das wusste er, würde ihn ausgelacht haben, dass er den Kaltnerbub übers Ohr gehaut hatte, würde er im Wirtshaus gesagt haben. Der Brunner, das wusste er, würde ihn ausgelacht haben, dass er den Kaltnerbub übers Ohr gehaut hatte, würde er im Wirtshaus gesagt haben. Der Kaltnerbub habe ihn den Wald geradezu aufgedrängt zu einem Spottpreis, würde der Brunner gesagt haben, und dass er sich, wenn er so weitermache, ruinieren werde. Er wollte aber keinen Profit aus diesem Wald ziehen und er wollte ihn auch nie wieder betreten müssen. Die Mutter hatte schon lange aufgehört, Fragen zu stellen. Du bist der Bauer, du tust, was du willst. Am Tag vor dem Verkauf war er ein letztes Mal in den Wald gegangen. Ein harziger Geruch stieg vom Waldboden auf. Er stand zwischen Stämmen, die ragten in eine Unendlichkeit. Er lauschte in die Stille zwischen den Bäumen. Da war nichts. blaue Schattenzeiten, leuchtende Nebeldunstzeiten. Barfuß war er über Stoppelfelder gelaufen, über spitzsteinige Wege, über den mit Nadeln bedeckten, von Wurzeln durchzogenen Waldboden, wie die Fußsohlen brannten. Durch Laubhaufen und über Frühlingswiesen war er gelaufen, barfuß im Regen, im Schlamm, zwischen den Zehen, quatschte die nasse Erde. Nie war er glücklicher gewesen, als wenn er barfuß lief. Barfuß stand er im Forellenwasser, die Kälte biss sich zu seinen Knochen durch und Sonnenflecken flirrten auf Fischleibern, die standen fast bewegungslos im Wasser. Oder er sprang auf Steine, über die das Wasser rieselte, samt eines Moos. Elfi saß am Ufer, ihre Füße hingen ins Wasser. Fang mir einen Fisch, rief sie, oh bitte, Fanzi, fang mir einen Fisch. Im Herbst glaubte er Mostbirnen, erbrockte Äpfel und Zwetschgen und wieder strich ein kalter Wind über die Felder. Er holte die Schuhe aus dem Kasten und Nebel stieg aus dem Boden auf und fiel stockig und schwer über das Dorf herein und hing feucht in den Kleidern und Haaren und Regen ertränkte die Erde und Schnee viel und viel und viel und begrub, dass man sie wieder ausgraben musste, Straßen und Häuser unter sich. Und der Vater erzählte vom Schnee, Kriegsschnee, Frontschnee, Bergschnee, endlos fallend, als hätte es für ihn damals keinen Sommer gegeben. Jahre in Eis und Schnee, sagte der Vater, und eine Kälte, die er noch heute in den Knochen spürte. Die Kälte war das Schlimmste, sagte er, und wie den Kameraden die Ohren abgefroren waren, die Nasenspitzen und Finger und Zehen vom Gestank der faulenden Glieder, erzählte er, Wundbrand, Gasbrand, Gletscherbrand. Gletscherbrand und in der Wirtsstube im trüben Licht, im Pfeifendunst, im Zigarettenqualm rückten die Bauern näher zusammen und wackelten mit den Köpfen. Die verfluchten Italiener, sagte einer, der war am Ende des Krieges am letzten Tag in Gefangenschaft geraten und der Vater war wieder im Innern der Berge, Jahre in Eis und Schnee und immer der Berg über dir. Manchmal meine er, er sei nie aus dem Berg herausgekommen. Die Bauern starrten in ihre Gläser, verfluchte Italiener. Verfluchte Schlechterei, sagt ein anderer, nicht gewankt und nicht gewichen, sagte der Vater. Die Heimat verteidigt in Eis und Schnee, in der Höllenkälte. Kaiser und Vaterlande leben, ihr Blut gegeben in Treue fest. Mit gütigem Auge sah der Kaiser auf Franz herab. Der alte Kaiser, sagte der Vater und nahm den Bierkrug vom Regal. Ob denn das keinen Wert mehr habe? Die Bauern klopften ihre Pfeifen aus, murmelten in ihre Gläser hinein und zuletzt hätte der Italiener ihnen auch noch Südtirol gestohlen. Nie vorher und nie nachher, sagte der Vater, habe er eine Kameradschaft erlebt wie dort auf dem Berg. Nie wieder diese Kameradschaft. Die Bauern nickten. Einer wollte von der Wintersaat anfangen, der Sommersaat, aber der Vater sagte, und wenn es wieder sein muss, dann muss es wieder sein. Und Franz, der unbemerkt im Winkel saß, sah, wie ein Fieber im Vater war. Die Bauern starten in ihre Gläser. Trittsiegel, hatte der Vater gesagt, wenn er mit ihm im Wald unterwegs war. Mach die Augen auf, schau was da ist. Und für Franz enträtselte sich die Welt. Der Vater zeigte ihm die Spuren. Hier war ein Marder gelaufen oder ein Dachs. Der hatte seine Grabekrallen in die Erde gedrückt. Was erzählten die Fährten dem Vater, wie alt ein Tier war, ob es männlich war oder weiblich, ob es auf der Flucht gewesen war, auf der Jagd, auf Nahrungssuche oder ob es ruhig gewandert war. Spuren in feuchter Erde, im Schnee. Einmal fand ein einzelnes Ei auf dem Waldboden das schimmerte Perlmuttweiß auf mürbenbrüchigen Blättern. Er fand eine Feder, die war blau-weiß gestreift. Eichelherr, sagte der Vater, oder er sagte Elster, Buchfink, Stieglitz, Kernbeißer und hieß ihn die Rupfung deuten und auf die Vogelrufe hören. Pelzstreifen wehten von Zweigen, an einem Stamm hatte sich ein Wildschwein gerieben. Er fand ein Knochenstück, an dem hing rot glänzendes Fleisch und kleine weiße Zähne leuchteten. Fressen und gefressen werden, sagte der Vater und ragte groß über ihm auf. Nimm mich mit, sagte Franz, wenn der Vater auf die Jagd ging. Später, sagte der Vater, später. Die kühle Bläue eines frühen Morgens, das dunkle Grün und wie die Hügel sich hinstreckten unter vielen Himmeln, grauer Granit und weißgekalkte Mauern. Als ob er im Körper ganz voll gewesen wäre, schien ihm von der Landschaft, ihren Steinen, dem Licht, das auf die dunklen Hügel fiel und eine Freude war in ihm gewesen, die herausspringen wollte. Er hielt sie aber zurück und trug sie, sachte, in der Brust. Oder er lief über eine Wiese und schrie seine Freude hinaus, Freude, schreiender Lauf. Und die Hügel halten von seinem Schrei und er ließ sich fallen und rollte über grüne Hänge und sprang wieder auf und lief und schrie mit ausgebreiteten Armen das Nichtbenennbare, das in ihm war, hinaus und die Hügel und Wiesen und Wälder antworteten ihm, die ihm vertraute, anvertraute Landschaft, wie sein Körper voll gewesen war von diesem nicht benennbaren. Er war ein kleiner Bruder gewesen, ein jüngerer Bruder, der Jüngste und also weniger wert als die großen Brüder, die waren wichtig für den Hof, für den Vater. Ohne die Brüder gehe es nicht, das sagte der Vater immer, bis es dann aber doch gehen musste. Er, Franz, war für niemanden wichtig gewesen, nicht wirklich wichtig. Seine Aufgaben, das Füttern der Hühner, der Gänse, die Kühe auf die Weide bringen, das Abwischen der Tische in der Wirtsstube. Und manchmal trug er einen Krug Birn an den Tisch, das Brocken der Beeren, das Glauben der Birnen und Äpfel, der Erdäpfel. Das hätte die Dirn übernehmen können oder jeder andere. Steh um, sagte der älteste Bruder, wenn er im Weg stand. Und er schien immer im Weg zu stehen. Dann kam Elfi auf die Welt. Da war endlich auch er ein großer Bruder gewesen und wichtig für jemanden. Er hatte Sorge gehabt, es könnte das neue Kind ihm wegnehmen, was er jetzt hatte. Kaum eine Wichtigkeit, kaum ein Gewicht, er würde auch das Wenige noch verlieren. Auch dass er sich würde kümmern müssen, Kinddienst, hatte Toni gesagt spöttisch, das kannst ja dann du machen. Was aber sollte er mit einem Ding, das in einer Wiege lag und schrie? Niemand hatte ihn darauf vorbereitet, was mit ihm geschah, als er das erste Mal ihr Gesichtchen sah, faltig und rot und zerquetscht und als ihre Ärmchen in die Luft stieß, er beugte sich über sie und ihre kleinen Fäuste trafen ihn mitten im Gesicht und er lachte, weil ein süßer Schock ihn ergriff. Sie war auf die Welt gekommen, ihm zur Freude. Sie war noch keine fünf Wochen alt gewesen, da hatte sie begonnen zu husten. Ein Fieber war dazugekommen aus ihren Augen und ihrer Nase quoll Schleim, ihr kleiner Körper glühte und wurde von Hustenanfällen geschüttelt. Der Pfarrer kam, der Vater scharrte mit den Füßen und knetete seine schweren Hände. seine schweren Hände. Leonhard machte ein Kreuzzeichen auf die Stirn der Schwester und Toni machte ein Kreuzzeichen und Elfi lag da, so winzig, ihr Köpfchen war rot vom hatte nicht gewusst, was er sagen sollte, was er tun sollte. Bitte, hatte er gedacht, bitte, bitte, bitte. Ein Arzt kam, der redete lange mit der Mutter, er kam auch am nächsten Tag und am übernächsten und endlich sank das Fieber und der Husten wurde schwächer und dann gab es eine auf Elfis Stirn, wie es die Mutter immer machte. Elfis Stirn war kühl und ihr Atem ging leise, so leise, dass sie Franz damit aufgeweckt hatte. So war es dann gewesen. Wenn die Mutter die Schwester stillte, setzte Franz sich neben sie. Das wollte die Mutter anfangs nicht, aber weil er sich ruhig hielt, weil er ganz still hielt, wenn er neben ihr auf der Küchenbank saß oder auf dem Bett in der Elternkammer, ließ sie es schließlich zu. Der Vater häusperte sich, wenn die Mutter stillte und ging aus der Stube. Aber Franz blieb. Er durfte sich an die Mutter lehnen, das war sonst fast nie, weil die Mutter immer in Bewegung war. Er spürte die Wärme ihres Körpers, er hörte, wie die Schwester gierig schmatzte und schnaufte, eine Verzückung war in ihrem satten Gesicht und Franz durfte sie nehmen, wenn sie aufstoßen sollte. Die Mutter legte ihm eine Windel über die Schulter und er grauste sich nicht vor ihrem Speiberling, denn wischte er ab und machte kleine Geräusche und atmete ihren Duft ein und manchmal, wenn er sie in den Armen hielt, riss sie die Augen auf ganz weit und schaute ihn an, so aufmerksam, so tief, wie ihn nie wieder jemand ansehen würde. Und dann verzog sie das Gesicht und er wusste, dass sie lächelte, ihn anlächelte, auch wenn es so aussah, als würde sie nur das Gesichtchen verziehen. Und ihm wurde ganz weit in der Brust, süß und weit und warm. Er musste sich etwas versprochen haben, schien ihm der Schwester etwas versprochen haben. So süß und warm und weit war ihm gewesen. Später, wenn Franz von der Schule heimkam, saß Elfi in ihrem Ställchen, das der Vater schon für Toni gebaut hatte, fand sie, rief sie, als wäre er tagelang weg gewesen, mein fand sie und streckte ihm die Ärmchen entgegen und klammerte sich an seine Beine und zog ihn unter den Baum, wo sie Blumen gepflückt hatte. Für dich, fand sie, sagte sie und zog ihn in die Küche. Es gibt Strudel, sagte sie. Strudel, verbesserte er. Ja, fand sie, Strudel. Studel und wuchs und wuchs in unermessliche Höhen, sich aufbäumend und schoss weiter ins Tal mit gigantischer Kraft, eine menschenfressende, menschenverschlingende, alles Leben vernichtende, weiße Wand, tosend und grollend und krachend. Ein Dröhnen erfüllte die Luft und neu fahrtaufnehmend und weiter sich hochschraubend, schoss ein klaffendes, schwarzes Maul brüllend auf ihn zu, und hungrige Schneearme streckten sich ihm gierig entgegen, griffen nach ihm und packten ihn, und dann stülpte sich das Schwarze, Dunkle über ihn, und er fiel in etwas Offenes, in einen Schlund, und fiel, und fiel immer noch, nach all den Jahren, immer noch. dass er zu alt war für solche Träume, dachte er, dass doch einmal Schluss sein müsste mit diesen Träumen, dass der Traum seinem Vater gehörte, nicht ihm. Wieso träumte er ihn? Immer noch. Vor dem Frühstück heizte er den Kachelofen ein. Für die alten Knochen sagte er laut in die Stube, als könnte ihn jemand hören, Berbi vielleicht, und schichtete Späne und Scheiter und schob Papierknäuel dazwischen und legte das brennende Zündholz ans Papier. Das Flammen aufleckten und mit einem Fauchen sprang das Feuer auf die Späne. Er lehnte die Ofentür an und stand mit einem Ächzen auf. Beim Frühstück blätterte er die Zeitung durch. Es interessierte ihn nicht mehr wirklich, was in der Welt vorging, aber immerhin würde er in vier Wochen wählen gehen. Naja, sagte er, als er die Zeitung weglegte, naja, als hört den jemand, Berbi vielleicht. Dass er auf den Friedhof gehen würde, dachte er, aber zuvor würde er die Hühner füttern, die paar Sachen einkaufen, die er brauchte, am Sonntag war Ostern. Dann wartete er, als ob ihm jemand noch einen Auftrag geben würde, aber da war niemand mehr, der ihm Aufträge gab. Hol mir ein paar Eier, das Fenster klemmt, dass der Zaun gerichtet werden müsste, ein Ast abgeschnitten, was wäre zu tun Ende März? Aber heute ist kein Freitag, sagte er, da wird nicht gearbeitet. Als Bub fiel ihm ein, hat er einen Palmbuschen gehabt, der war fast so groß wie er selber gewesen, mit zwei, drei Äpfeln und bunten Bändern. Elfi mit ihrem kleinen Buschen hatte sehnsüchtig zu ihm aufgeschaut, wenn du groß bist, hat er gesagt, mache ich dir einen so wie meinen. Versprochen? Versprochen. Versprochen, versprochen. Er rieb sich die Augen, es war das alles lange her. Also fuhr er mit dem Rad nach Bodendorf, er würde mit dem Josef reden und über den Grund gehen, wo willst denn hin, Vater, rief ihm Margit nach es hatte angefangen zu nieseln und ihn fröstelte. Regen, Schnee, vor fast einem ganzen Leben, er erinnerte sich. Schnee war gelegen, die Nacht war kalt gewesen und sternenklar. Marie Lichtmess sollte das bäuerliche Neujahr bringen, den Beginn des Faschings, aber hat im letzten Kriegsjahr noch jemand an den Fasching gedacht. Die Messe war ausgefallen an diesem Lichtmesstag, in diesem letzten Kriegsjahr. An diesem Tag und in den nächsten Tagen waren alle Messen ausgefallen. gefallen. Später wollte das keiner mehr wissen, das Schießen tagelang. Die Flüchtigen, die erschlagen, erschossen und aufgehängt wurden an Apfelbäumen, die drohten im Schnee, steif gefroren mit zerschmetterten Schädeln, mit Einschüssen im Rücken, die lagen manchmal tagelang auf Wiesen und Feldern, bevor jemand sie holte. Die säumten die Straßen und lagen unter Obstbäumen, die ihre verschneiten, kahlen Äste in den Himmel reckten. Sie lagen in Straßengräben, hier auf diesem Abhang und bei der Gusenbrücke, hinter Kapellen, wie ein Holzstoß, aufgeschlichtet und zur Abholung bereit oder zu zweit, zu dritt, zu fünft, lagen sie am Waldrand bei der Bahnstrecke im Holz, nachdem man sie aus den Ortschaften, Häusern und Gehöften der Umgebung den Stellen, den Stadeln geholt hatte, wo sie sich zu verstecken suchten, mit oder ohne Wissen der Bewohner. Ihre Spuren im Schnee, barfuß hatten sie zu entkommen versucht oder mit Fetzen um ihre nackten Füße gebunden, ausgemergelte Gestalten, denen manche einen Laib Brot gaben, einen Schluck Milch, eine Hose, ein Hemd, als könnten die dem Tod geweihten dann andere sein, die leben durften und lagen dann aber, tot, erschossen, erschlagen am Waldrand, bei der Bahnstrecke, im Holz, noch mit dem Stück Brot in der Hand, das ihnen einer zugesteckt hatte. Manche versuchten zu helfen oder taten jedenfalls den Flüchtigen nichts, andere jagten sie mit scharfen Hunden, sie bildeten Postenketten auf den Straßen, sie stöberten die Flüchtigen auf, trieben sie aus dem Keller, aus dem Heu, in einen Hof, auf den Dorfplatz, trieben sie sie auf ein Feld und erschossen sie, erschlugen sie, stachen mit Bayonetten in das Heu und warfen Tote auf den Misthaufen, wo sie liegen blieben. Vielleicht betranken sich die Jäger oder sie töteten in einem Blutrausch oder auch kaltblütig, wer konnte das wissen. Und also erschossen sie einen, der im Schnee kniete, mitten im Ort am helllichten Tag und um sein Leben bettelte und schleiften den leblosen Körper zum Feuerwehrhaus, wo schon ein anderer Toter lag, bis sie dann auf Lastwagen geworfen wurden wie Holzprügel, Tote und Halbtote. Die wimmerten und ihr Blut tropfte in den Schnee, in den Schneematsch. Es war ja überall Blut. An allen Ecken des Ortes lagen Tote und mitten auf dem Ortsplatz standen die Lastwagen, die die Toten abtransportierten ins Lager, hieß es, um im Lager verbrannt zu werden. Die Toten waren nie weg gewesen. Sie lagen immer noch bei der Kapelle, im Straßengraben, beim Feuerwehrhaus. Dann stand er vor dem Grab, er stand vor den anderen Gräbern, er las die Namen, Regen fiel in Schnüren. Vielen Dank. Das Geheimnis um den Titel ist jetzt gelüftet. Fancy ist also der Franz und in der Art und Weise, wie ihn seine kleine Schwester Elfi ausspricht. Sie haben ebenfalls im Nachwort geschrieben, im Anhang des Buches geschrieben, dass sie sich auf Soldatenbriefe einerseits bezogen haben oder die als Grundlage verwendet haben, auch die Katzdorfer Heimatblätter. Ich wollte fragen, ob Sie, weil ja der Roman trotz, also sehr konkret eben verortet ist, ob Sie auch einen, darüber hinausgehend, einen persönlichen Bezug haben. Also oft werden einem ja Geschichten vielleicht zugetragen und man entwickelt dann erst sozusagen eine Dringlichkeit, dass man über etwas schreiben möchte. Gibt es bei Ihnen auch einen darüber hinausgehenden Bezug? Also zum einen wollte ich eigentlich eine Geschichte über Mädchen schreiben. Mädchen, Steinbruch war irgendwie so die Ausgangsidee. Das hat sich dann, da ich mich auf die Suche nach Steinbrüchen machte, anders entwickelt. Dann bin ich irgendwann steinbruchmäßig ins Müllviertel nach Mauthausen gekommen und dann war klar, dass die Geschichte eine komplett andere sein muss. Also ich kenne keine Geschichte, die so ist, aber ich denke, dass es so hätte passieren können. Und mir ist der Franz sehr ans Herz gewachsen, deswegen gibt es ihn. Und zum anderen habe ich ganz viel aus den Erinnerungen meiner Mutter geschöpft. Also alle diese Geschichten vom Bauernleben, Einzelheiten wie, dass die Pferde Maxi und, zweiten Namen habe ich vergessen, heißen. Oder bei uns heißt es immer noch beim Skifahren, wenn ein Südtiroler Läufer, also ein Italiener fährt, der aus Südtirol ist, mit einem deutschen Namen, heißt es immer noch, ah, Südtiroler. Dann sagt meine Mama gern, ja, die Italiener haben uns Südtiroler, also damit bin ich aufgewachsen. Das ist so ein bisschen eine familiäre Anbindung an den Ersten Weltkrieg. Mein Großvater war im Ersten Weltkrieg, ist am letzten Tag des Krieges in Gefangenschaft gekommen. Also das habe ich so ein bisschen mit hineingenommen. Sie haben ja selber auch gesagt, dass Astrid, also die Enkelin von Franz Kaltener eine für sie sehr wichtige Figur ist und es ist ja auch im Roman ablesbar. Er ist in Kapitel geteilt, die sich immer abwechselnd mit Franz und Astrid überschrieben, die so überschrieben sind. die Enkelgeneration in so einer, wenn es um Familienschuld oder Schuld oder Schmerz geht, der sich sozusagen weiter vererbt, ist es wichtig. Aber ich wollte Sie dennoch fragen, warum haben Sie sich genau für diese zwei Figuren entschieden? Das kommt dann zu. Ich wollte wirklich über ein Mädchen schreiben. Dann ist der Franz dazwischen gekommen. Dann habe ich mich immer gewundert, dass ich jetzt bei einem Großvater, beziehungsweise bei einem Jungen bin, also das war noch ein Bub, der dann Großvater ist und da habe ich eine Enkelin dazugebraucht. Aber die Astrid ist erst, ich glaube, erst eher später dazugekommen. Aber ich finde, das war eine gute Balance. Also erstens die Vergangenheit und das Jetzt. Es gibt ja die Tochter, also die Mutter von Astrid, die Tochter von Franz und die erzählt nicht. Ich war kurz versucht oder habe mir gedacht, muss die jetzt eigentlich auch sozusagen erzählen, braucht ja auch eigene Kapitel und ich fand es dann aber spannender, dass der Leser die Leserin über Astrid und über Franz und über die wenigen Begegnungen mit der Mutter erschließen kann, was hat sich vom Vater auf die Tochter übertragen an innerer Dramatik, an Schuld auch oder an Verzweiflung und wie lebt das in der Enkelin weiter? Also ich habe eine Enkelin, wollte ich als Gegenbild, auch weil ja doch viel Zeit dazwischen vergangen ist. Also die Enkelin lebt ja, also einmal wird die Bundespräsidentenwahl erwähnt. Das war mir wichtig. Die in der Alexander-von-der-Belle. Der Name wird nicht genannt, ja, also es war mir wichtig, eben irgendwie haben wir gedacht, nein, ich muss jetzt nicht Name-Dropping machen, jeder, der jetzt da lebt, weiß das eh. Und ich wollte einfach so, ein Präsident wird wir gedacht, nein, ich muss jetzt nicht Name-Dropping machen, jeder, der jetzt da lebt, weiß das eh, und ich wollte einfach so, ein Präsident wird gewählt, und jeder, der weiß, worum es ging, weiß, worum es ging, und freut sich hoffentlich innerlich daran. Das wollte ich so. Ja. Sie haben eben diese zwei Figuren so zu zentralen Figuren gemacht, es kommt manchmal Dialekt vor, ganz selten. Ich wollte Sie fragen, wann haben Sie entschieden, das muss jetzt in einer dialektalen Form, sei es ein Wort oder sei es ein Satz sein, nach welchen Kriterien haben Sie entschieden, das muss jetzt sein? Ja, ich habe immer das Gefühl, wenn etwas auftaucht und ich schaue mir das an und es stimmt, dann muss das so sein. Also ich hatte ein bisschen die Angst, dass der Verlag sagen wird, das geht ja gar nicht, womöglich wollen Deutsche das Buch lesen und verstehen dann nichts. das erste Mal war wie der Urgroßvater quasi über dieses, das brauche ich nicht, das brauche ich alles nicht, dass die mit einem Bankkart kommt, das brauche ich nicht, das, keine Ahnung, also weiß ich jetzt nicht, aber der Franz Vater, der im ersten Weltkrieg war, hat eine gewisse Härte und die hat sich plötzlich im Dialekt mehr oder weniger ausgedrückt. Und da war mir klar, das muss sein, auch bei der Szene, wo eben die Söhne in den Krieg nicht zurück wollen, das kann ich nicht auf Hochdeutsch schreiben. Also ich habe es versucht zu übersetzen und das war ein komplett anderer Text. Also im Zweifelsfall hätte man es übersetzen können für Deutsche hinten. Aber ich denke mir, nein wirklich, das ist eine Verlage, wenn es sich nicht verkauft, dann müssen wir das ändern. etwas Wichtiges ändert, dann darf man es nicht ändern. Also ich bin sehr dafür, dass Lektorinnen und Lektoren mitreden und Vorschläge machen, aber der Verlag war ohnehin einverstanden. Da sagt er, lass mich da bleiben, Mutter. Das hat mich auch total, das vergesse ich nicht, das ist halt definitiv, natürlich Dialektform ist dann ein bisschen eine emotionalere Ebene, auf der sowas rauskommt. Lass mich bleiben, Mutter, so spricht kein Mühle. Ja, so richtig, genau. Glaube ich. Vielleicht noch eine wichtige Sache, also die Astrid, die ist Biologin, sie arbeitet im Biologiezentrum und ich muss sagen, ich fand den Begriff Biologie auf diesen Roman bezogen enorm wichtig. Einerseits hat Landwirtschaft selber mit sehr viel Natur und bi entgegenbringt als Spezies Mensch letztlich und ihre Aktionen, die man wirklich oft nicht versteht, die man wirklich oft nicht versteht, so ein bisschen abzuheben, zu abstrahieren und zu sagen, der Kosmos ist die biologischen Vorgänge, man kann sie nur quasi nüchtern wissenschaftlich aufschreiben und vielleicht nicht immer nachvollziehen, das Biologische, nicht ganz so. Aber ich gehe eigentlich mehr von Figuren als von Programmen aus. Es war nicht mein Ziel, irgendwelche philosophischen Konzepte da einzubringen, aber die Figur Astrid ist eine, die so nah an der Verzweiflung ist, also das ist das Erbe des Großvaters, würde ich sagen, dass sie mit der Menschenwelt nicht so gut zurechtkommt und sich in der Natur wohlfühlt, gleichzeitig aber natürlich sieht, was wir alle sehen, nämlich dass wir das alles kaputt machen. Und als Biologin hat sie darüber ein größeres Wissen ich zum beispiel natürlich habe ja nicht eingelesen aber ich kann natürlich nur die oberfläche in wirklichkeit verstehen oder oder einarbeiten sowieso wenn man schreibt er keine biologie bücher aber ich denke die die figur astrid macht schon klar also die figur franz macht vielleicht klar, was der Mensch den Menschen antut und die Figur Astrid macht wahrscheinlich klar, was wir der Welt und der Natur antun. Und so gesehen, glaube ich, ist da eine Art Brücke vielleicht zu sehen. Sie ist ja für mich auch so eine Vertreterin quasi der jungen Generation, die halt tatsächlich auch klimaaktivistisch denkt und auch nicht, also nach vorblickt. Also sie ist ja auch die Figur, die in die Zukunft auch weist. Sie ist aber sehr, sehr, sehr in der Katastrophe verfangen. Also ich habe versucht, sie ein bisschen herauszuholen. Also ich habe kein Happy End geschrieben, aber doch, das Ganze ist doch ein bisschen schwer und düster, auch mit ihren apokalyptischen Vorstellungen. Aber ich hoffe, dass da für uns alle ein bisschen Hoffnung, wie gesagt, doch möglich ist. Und zwar, Sie schreiben, dass ukrainische Zwangsarbeiterinnen für Gleisarbeiten nach Oberösterreich gebracht worden sind. Das war mir ganz neu. Können Sie dazu was sagen, wie Sie das recherchiert haben? Ich habe alle meine, also ich habe, erstens habe ich Geschichte studiert und der Nationalsozialismus war immer, also seit 6. Klasse, 7. Klasse, Gymnasium für mich ein zentrales Thema. Und alles, was konkrete Informationen zu dieser Gegend um Katzdorf herum sind, habe ich in erster Linie aus den Heimathäften von Leo Reichl. Da wird das wohl drin gestanden sein. Ich vergesse dann immer Dinge, die ich gelernt und gelesen habe. Und meine Mutter hat mir erzählt, dass in Neukirchen, wo sie waren, ich glaube, das hat sie mir erzählt, da haben die Flüchtlingsfrauen oder auch Zwangsarbeiterinnen, weiß ich jetzt nicht mehr, die haben immer so schön gesungen. Schöne Lieder gesungen. Das hat sie damals gehört. Ich habe es gegoogelt, wenn man es so schön gesungen, schöne Lieder gesungen. Das hat sie damals gehört. Ich habe es gegoogelt, wenn man es so macht, schnell. Und es ist für mich wirklich eine neue Information. Also wenn es drinsteht, habe ich es wahrscheinlich hochgefunden. Nein, ich zweifle es gar nicht an. Aber ich nehme an, dass es aus dem Leo Reichl-Heimatblätter ist. Ja, in Anbetracht der Zeit. Ich hätte noch viele Fragen, aber es ergibt sich vielleicht Gelegenheit, dann noch jetzt, es gibt noch ein bisschen Zeit für das Signieren. Roman über Frauen und Steinbrüche dann schreiben werden. Den werde ich mir auf alle Fälle wieder kaufen. Ebenfalls vielen Dank Ihnen beiden fürs Kommen und Lesen und hinten, wenn Sie noch Fragen haben, gibt es ganz kurz Zeit eben noch mit den Autorinnen zu sprechen. Vielen Dank. Danke schön.